Dieser Artikel erscheint im Rahmen einer Porträtserie zum Thema "Handwerk".

"Ein Kachelofen ist ein märchenhaftes Objekt, das leider so gut wie verschwunden ist. Heute kommt die Wärme durch irgendwelche Leitungen von irgendwoher. Sie strahlt aus Heizkörpern, welche die Menschen verstecken, weil sie optisch meistens nichts taugen.

Dem Kachelofen ist ein ähnliches Schicksal widerfahren wie dem Brunnen. Es sind beides Dinge, die über die letzten Jahrtausende hinweg eine zentrale Rolle spielten. Beide sind in den letzten Jahrzehnten fast unsichtbar geworden. Dabei gibt der Kachelofen der Wärmequelle eine Gestalt. Außerdem strahlt er eine ganz andere Wärme aus als ein Heizkörper. Das sind aber nur zwei Gründe, weshalb ich mich nach meinem Studium der Malerei an der Wiener Angewandten dem Ofen zugewandt habe.

Marie Janssen entwirft Hüllen für Kachelöfen.
Foto: Nathan Murrell

Ich bin in einem kleinen Dorf in Bayern aufgewachsen. In unserem Bauernhaus gab es fünf Öfen, deren Kacheln meine Mutter nach alten Vorbildern fertigte. Sie hat auch für andere Einwohner des Dorfes Öfen gestaltet. Das Objekt Kachelofen ist mir also von Kindheit an vertraut.

Zu meiner Arbeit inspirieren mich viele alte Sagen und Geschichten, in denen der Ofen eine Rolle spielt. In manchen Gegenden nennen die Leute den Ofen 'tönernen Bruder'. Auch bei Heinrich Heine kommt er immer wieder vor. Er schreibt zum Beispiel: 'Und Schrank und Ofen leben, denn ein Mensch hat ihnen ein Teil seiner Seele eingeflößt.'

Experiment Ofen

Nach meinem Diplom an der Malereiklasse ging es mir darum, all das, was ich gelernt hatte, in die Erscheinung von Kachelöfen einfließen zu lassen. Mir waren keine wirklichen zeitgenössischen Entwürfe bekannt. Dabei wurde in früheren Zeiten ganz gern mit dem Design von Öfen experimentiert. Im Schloss Schönbrunn gibt es einen Kachelofen in Form eines goldenen Baumstammes samt Vogelnest. Während der Gotik war der Kachelofen überhaupt 'das' Kunstobjekt im Haus.

Für die Ofenkeramikerin Marie Janssen sind ihre "Tuchöfen" zauberhafte Objekte.
Foto: Steffi Eckelmann Photography

Um dem Ofen ein modernes Gesicht verleihen zu können, begab ich mich nach dem Studium auf die Suche nach einem Ort, an dem ich meine Kacheln fertigen konnte. Ich wäre überall in Europa hingegangen, landete aber zufälligerweise wieder auf der Angewandten, und zwar in der Keramikwerkstatt der Uni.

Dort hat schon die berühmte Lucie Rie gearbeitet. Im Keller der Angewandten baute ich den ersten meiner sechs Öfen, die ich ihrer Form halber Tuchöfen nenne. Mein größter Entwurf misst 2,7 Meter in der Höhe, der kleinste 1,4 Meter. Einen habe ich im Kloster Mauerbach gebaut, einen anderen in Mailand.

Mittlerweile arbeite ich in einem Atelier im neunten Bezirk. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass von mir lediglich die Hülle des Ofens stammt. Für das Innenleben ist der Ofensetzer verantwortlich. Ich muss darauf schauen, ihm genug Platz zu lassen.

Man könnte sagen, ich entwerfe Kleider für das Feuer. Tuch und Textil mögen in diesem Kontext als Widerspruch erscheinen. Andererseits ist es auch etwas, das Wärme spendet und behütet. Die Form des Tuches, das nachgiebig und weich erscheint, verdeckt die Feuerstelle und macht aus dem Inneren des Ofens ein Geheimnis.

Der Platz, an dem der Ofen steht, wird zu einem poetischen Ort. Ich denke, dass Menschen verstärkt Sehnsucht nach Dingen empfinden, die eine Geschichte erzählen und auf eine Herkunft jenseits der Massenproduktion verweisen.

Die textile Form ihrer Keramikfliesen erscheint einerseits widersprüchlich, andererseits sieht sie auch im Stoff etwas Wärmendes.
Foto: Johanna Folkmann

Ein bisschen geht es mir mit meiner Arbeit wie dieser alten Frau über die Heinrich Heine schrieb: 'Die steinalte, zitternde Frau, die dem großen Schranke gegenüber hinterm Ofen saß, mag dort schon ein Vierteljahrhundert lang gesessen haben, und ihr Denken und Fühlen ist gewiss innig verwachsen mit allen Ecken dieses Ofens ...' Auch mein Denken und Fühlen ist irgendwie mit diesen Öfen verwachsen." (Michael Hausenblas, RONDO, 14.9.2018)