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Bremen – Seit hunderten von Millionen Jahren nutzen Insekten spezialisierte Tastorgane um ihre unmittelbare Umgebung zu erkunden. Diese Fühler müssen einige Aufgaben erfüllen: Sie müssen steif genug sein, um aktiv und kontrolliert bewegt zu werden. Gleichzeitig müssen die Antennen jedoch flexibel und nachgiebig sein, um Beschädigungen bei Kontakt zu vermeiden. Wie Insekten dieses Problem lösen und was man daraus für Konstruktion von Robotern lernen kann, haben nun deutsche Wissenschafter herausgefunden.

Grundlage des interdisziplinären Projekts mit Forschern von der Christian-Albrechts Universität zu Kiel, der Universität Bielefeld und der Hochschule Bremen sind präzise Messungen der Verformung von Antennen von Stabheuschrecken und Computersimulationen. Dabei konnte das Team nun erstmalig zeigen, dass die speziellen biomechanischen Eigenschaften der Antenne sowohl vom Aufbau als auch vom Material der Antenne abhängen.

Video: Wie Insekten ihre Umgebung ertasten.
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Steife Hülle, weicher Kern

"Die untersuchten Insektenantennen bestehen vereinfacht gesagt aus einem weichen Kern, der von einer steifen Hülle umgeben ist", erklärt Jan-Henning aus Bremen. "Während die steife Hülle hauptsächlich die Festigkeit der Antenne bestimmt, hilft der weichere Kern bei der Vermeidung von Schwingungen. Zusätzlich sorgen die vielen Einschnürungen entlang der Antenne und die konische Form der einzelnen Segmente für ausreichend Beweglichkeit der Struktur."

Eine Besonderheit der im "Journal of the Royal Society Interface" präsentierten Arbeit war die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Gruppen. "Die Nutzung von Computersimulationen hat es uns erstmalig erlaubt, auch ‚unmögliche‘ biologische Experimente virtuell durchzuführen", sagt Rajabi von der Christian-Albrechts-Universität. "So konnten wir gezielt bestimmte Eigenschaften der virtuellen Antenne wie Form oder Materialzusammensetzung beeinflussen und so den Effekt auf die Beweglichkeit untersuchen."

Neue Taster für Roboter

Die gewonnenen Erkenntnisse helfen zum einen bei der Beantwortung von grundlegenden Fragen zur Funktion der evolutionär sehr erfolgreichen Antenne von Insekten. Zum anderen können die Resultate in Zukunft verwendet werden, um bessere biologisch inspirierte taktile Systeme für Roboter zu bauen. In weiteren Studien soll nun untersucht werden, wie Insekten genau Berührungen mit Objekten lokalisieren können und ob die gefunden Prinzipien auch für andere Antennenformen und Insektenarten gültig sind. (red, 11.9.2018)