Ein Dolchstoß in den Rücken – anders lässt sich der abrupte Führungswechsel bei der türkischen Tageszeitung "Cumhuriyet" nicht beschreiben. Jene, die für ihre kritischen Artikel und Karikaturen gegen die Herrschaft von Tayyip Erdogan erst lange in Untersuchungshaft saßen und dann in einem Schauprozess zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, haben nun eine Leitung vorgesetzt bekommen, die offensichtlich durch den Präsidentenpalast arrangiert worden ist.

"Sie können "Cumhuriyet" nicht einschüchtern. Die Zeitung wird weiterhin ihren Lesern die Wahrheit sagen", hatte der Vorstandschef von "Cumhuriyet", Akin Atalay, nach seiner Freilassung nach 500 Tagen Untersuchungshaft im April dieses Jahres verkündet. Er hatte unrecht. Die letzte große regierungsunabhängige Zeitung der Türkei ist einfach umgepolt worden.

Die alte nationalistisch-kemalistische Riege, die das weitgehend aus der Öffentlichkeit verbannte Blatt nun führt, ist kaum Erdogan-freundlich. Aber sie ist dem autoritär regierenden Staatschef und seinem System verpflichtet. Und diese Riege ist im Grunde ebenso autoritär im Geist, wie Ahmet Insel, einer der liberalen türkischen Intellektuellen, feststellte, der sogleich seine Mitarbeit bei der Zeitung aufkündigte. Das ist auch der tiefere Grund für die Entmachtung von "Cumhuriyet": ein Handel zwischen der alten Elite und der heutigen politischen Führung. (Markus Bernath, 11.9.2018)