Die Kinder mit ihren Freunden in den Garten zum Spielen schicken? Monet hätte das niemals getan. Wenn es um sein "schönstes Kunstwerk" ging, wie er 1921 mit Blick auf die üppigen Blüten und die Vielfalt der Seerosen in Giverny gestand, war der Meister des Impressionismus (1840-1926) überaus heikel. Der Patriarch einer Patchwork-Familie mit acht Kindern untersagte sogar, die Pflanzen zu berühren, ihnen zu nahe zu kommen, wie der Sohn Auguste Renoirs es gewagt haben soll. Dennoch hatte die ganze Familie bei der Gestaltung der knapp 10.000 Quadratmeter seines ersten Blumengartens, dem "Clos normand" mitgewirkt, umgegraben, gejätet, gepflanzt – und gegossen.

Zweimal im Jahr wird Giverny von den Gärtnern komplett neu bepflanzt, allein mit 50.000 Tulpenzwiebeln für das Frühjahr. Mehr als 50 verschiedene Blühpflanzen hatte Monet in seinem Garten versammelt. Die Dahlien waren zu jener Zeit eine absolute Modeblume, die in immer schöneren Formen und kräftigeren Farben gezüchtet wurde.
Foto: Fondation Claude Monet, Giverny

43 Jahre – bis zu seinem Tod 1926– lebte der führende Maler des Impressionismus in Giverny in der Normandie. Dort schlug er nach einigen durch finanzielle Talfahrten begründeten Ortswechseln Wurzeln. Trotz aller Passion für den Garten diente dieser ihm allerdings erst spät als Motiv. Zunächst reise der Maler nahezu rastlos, am häufigsten an die Küste der Normandie, um "das Licht zu bewundern, das die Welt zum Leuchten bringt". In mehr als 500 Briefe schrieb er seiner zweiten Frau Alice (die zunächst mit Monets bankrott gegangenem Förderer Ernest Hoschedé verheiratet war) und rapportierte aufs Ausführlichste seine Malerlebnisse en plein-air.

Es waren Rechtfertigungen, denn Alice hielt ihm seine langen Abwesenheiten vor. Monet klagte darin aber auch über die Unbeständigkeit von Wetter und Licht. Auch das könnte dazu geführt haben, dass der eigene Garten ihm als Spiegel für die Kräfte der Natur, des Wetters und den Lauf der Jahreszeiten teuer wurde. Eine Kulisse, die in Bilder üppigster, vom Sonnenlicht geküsster und so in allen Farbnuancen leuchtender Vegetation sowie reflektierender Wasserlandschaften mündete; Gemälde der flüchtigen Atmosphären, wie sie ab kommender Woche auch in der Albertina in der Ausstellung Die Welt im Fluss (21. 9. bis 6. 1. 2019) zu sehen sein werden.

Monet beschäftigte in Giverny etwa sieben Gärtner. Zu ihren Aufgaben gehörte es auch auf einem schwankenden Boot stehend, die Seerosen zu geordneten Gruppen zusammenzurechen.
Foto: Ugo Bozzi, Editore Srl, Rom/© Sammlung Callimanopulos

Seine "letzten Seerosen sind pure Abstraktion und Licht", sagt Hugues Gall, Leiter der Fondation Claude Monet, die den Garten und das Wohnhaus der Familie Monet in Giverny verwaltet. Auf seinen Streifzügen durch das Seinetal stieß Monet 1883 auf das Anwesen, ein ehemaliges Presshaus für Cidre mit großem Obstgarten. Vom kleinen Ort in der Normandie konnte er binnen zwei Stunden Paris erreichen, was Monet bei der Wahl seiner Wohnorte stets wichtig gewesen war. 1890, inzwischen durch Ausstellungserfolge wie jenem "Coup" in New York 1886 zu Geld gekommen, konnte er die Immobilie letztlich erwerben und sich an die ersehnte Umgestaltung machen. Sein Glück war vollkommen, als er sich 1893 mit dem Kauf eines weiteren Grundstücks den Traum vom Wassergarten mit dem Seerosenteich erfüllen konnte. Der Japonismus hatte damals die Gartenbaukunst erreicht.

Blütenteppiche statt Baumalleen

Dass Monet die Gemüsebeete und Obstbäume zugunsten einer Vielzahl blühender Pflanzen aufgab, haben die Dorfbewohner sicher argwöhnisch beäugt. Auch Impressionistenkollege Gustave Caillebotte, von dem der Lichtmaler das Gärtnern lernte, wollte in seinem Park in Gennevilliers nicht darauf verzichten. Monet entledigte sich hingegen auch des Buchsbaums, den er hasste, und stritt mit seiner zweiten Frau Alice schier endlos über den Erhalt von Fichten und Zypressen in der Allee.

Einzig zwei Eiben konnte sie vor Monets ästhetischen Vorstellungen retten. Von den zwei knorrigen Alten schweift der Blick heute über den von Kletterrosen überwachsenen Hauptweg. Ein Teppich aus Kapuzinerkresse, wie sie Gustave Flaubert in seiner Illustration der bäuerlichen Normandie beschrieben hatte, überwuchert diesen mit roten und orangen Blüten. Die Intensivfarbige wäre beinahe zum Emblem der Impressionisten geworden, so wie es Edgar Degas vorgeschlagen hatte.

Monet träumte davon in Giverny eine Seerose von besonderem Rot zum Blühen zu bringen. Dafür ließ er sogar eine Unterwasserheizung installieren, aber das Unterfangen misslang. Die Vielfalt der Seerosen ließ sich Monet einiges kosten: 117 franc, was heute rund 350 Euro entspräche, hat er allein 1893 für Wasserpflanzen ausgegeben.
Foto: Fondation Claude Monet, Giverny

Inmitten des Meers aus Malven, Fingerhut, Ringelblumen, Lupinen und einer Unmenge von Dahlien und den oft in Öl verewigten Iris kann man sich nicht vorstellen, wie es hier Ende der 1960er ausgesehen hat. Damals, nach dem Tod von Michel Monet, gelangten Haus, Garten und Gemälde in den Besitz der Académie des Beaux Arts. "Er war kein Taugenichts, aber auch nichts anderes als einer, der vom Geld seines Vaters gelebt hat", so Gall über den Sohn mit der Vorliebe für Safaris und Autorennen. Er starb 1966 bei einem Autounfall.

Der Garten von Giverny war zu jener Zeit nur noch ein Brachland voller Unkraut und Wildwuchs; der Seerosenteich glich einer Sumpflandschaft. Als "archäologisch" bezeichnet Gall die Rekonstruktion der Anlage, die man anhand der Korrespondenz mit Gärtnereien, Aussagen von Zeitgenossen, die den Garten gesehen hatten, Fotos sowie Monets Gemälde selbst durchführte. Die Glyzinie, die heute noch über die japanische Brücke klettert, stammt aus Monets Zeiten. Ebenso die große mächtige Blutbuche hier im ruhigeren, schattigeren Teil des Gartens, der durch eine kleine Straße (früher verlief hier die Bahnlinie) von Blumengarten und Haus getrennt ist.

600.000, 2018 vermutlich an die 650.000 Besucher, kommen in Monets Garten in Giverny, der seit 1980 wieder offenstehen. Monet selbst hatte eine striktere Einladungspolitik, meist gestattete er nur Freunden und Sammlern den Zutritt. Als Gartenunternehmer Georges Truffaut 1913 über den Garten von Giverny schreibt, lässt er den talentierten Gärtner Monet ungenannt.
Foto: Fondation Claude Monet, Giverny

Mit den Bäumen und dem Wasser sei hier alles sanfter, so Jean-Marie Avisard, seit 25 Jahren Chefgärtner in Giverny, über seinen liebsten Ort im Park. Einer seiner Mitarbeiter fährt mit einer Barke über den von Rhododendronbüschen, Weiden und kleinen Bambushainen umgebenen Seerosenteich. Schon zu Monets Zeiten waren die Gärtner ständig mit dem Entfernen von Algen und Wasserlinsen sowie dem Wegreißen von rasch wuchernden Seerosenblättern beschäftigt. Der Maler bestand darauf, dass die Wasserfläche immer absolut rein sei, damit sie besser als Spiegel für Himmel, Wolken, Schatten und die sich in ihr reflektierenden Pflanzen funktioniert.

Wenn es um Garten und Teich ging, war Monet extrem heikel. Am liebsten hätte er die Blätter der Seerosen bügeln lassen, um perfekte Reflexionen an der Wasseroberfläche zu ermöglichen. Die Albertina widmet dem Lichtmaler ihre große Herbstausstellung.
Fotos: Robert Bayer/Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Feßler

Besessen von der Gartenkunst

Berauscht von Blüten und Farben, verliert man hier leicht das Zeitgefühl. In eine Gruppe asiatischer Touristen (650.000 jährliche Besucher) mit Strohhüten stolpernd, holt einen die Gegenwart wieder ein. Auch Monet verlor sich hier: "Ich hatte die Gartenarbeit, in der ich aufging", schwärmte Monet. Der Maler war regelrecht besessen von der Hortikultur. Schon in den Anfangsjahren in Argenteuil präsentierte sich sein Garten nicht wie der eines immer wieder von Armut bedrohten Künstlers, sondern vielmehr wie der eines wohlhabenden Bürgers.

Mit seiner Leidenschaft war Monet aber nicht allein. Blumenzucht und Gartenkunst war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum modischen Massenphänomen geworden, an dem der städtebauliche Umbau von Paris zu einer modernen Metropole des Industriezeitalters erheblichen Anteil hatte. Zwar gab es immer mehr öffentliche Parks, die der Erholung der Bürger dienen sollten, aber der massive Ausbau der Boulevards drängte die privaten Gärten zurück. Es wuchs die Sehnsucht nach einem eigenen Stück "Natur".

Sanfter und ruhiger ist es im Wassergarten mit Monets berühmten Seerosenteich.
Foto: Fondation Claude Monet, Giverny

Ab 1930 erschien eine Flut von Zeitschriften und Abhandlungen zum Garten. Die Revue Horticole, dessen in Leder gebundenen Bände auch Monets Bücherschränke in Giverny füllen, schrieb 1865, Gärten böten die Möglichkeit, den "unablässig in die Stadt strömenden Menschen wieder mit der ländlichen Natur zu vereinen". Auch das sich technologisch rasant entwickelnde 19. Jahrhundert und die beginnende Konsumgesellschaft hatte seine Strategien der Entschleunigung. Die Impressionisten setzten auf den Sinneseindruck. Diesen persönlichen, körperlichen wie emotionalen Moment, simulierten sie in ihrer Malerei, riefen im Betrachter die Erinnerungen an den Duft, die Geräusche, Farben und Formen der Gärten wach. Der Impressionismus und damit Monets Kunst war so etwas wie die Antwort auf die vom Kunstkritiker Ernest Chesneau 1868 beschriebene "verzehrende Hektik und das ständige Fieber der Stadt".

Der Gartenkult der Franzosen lässt sich nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1879/71 allerdings auch politisch motiviert deuten. Vor dem Hintergrund dieses Konflikts, bei dem Elsaß und Lothringen verloren wurden, bezeichnete die Revue Horticole das Gärtnern 1878 "als Kunst, den Boden zu bewahren und zu verändern: Das Bild der Zivilisation, die die Barbarei vor sich hertreibt". Der Garten diente als romantisches Gegenbild, als Vorstellung von einem modernen Garten Eden und Symbol für ein, sich nach dem Alptraum des Kriegs erneuernden Land. In diesem Arkadien sollten dann auch die Seelen der Menschen gesunden. (Anne Katrin Feßler aus Giverny, 12.9.2018)

Filmische Impressionen vom Garten Monets in Giverny
Jean-Luc Ichard