Almen und Hochweiden mit urigen Hütten und grasenden Kühen und Schafen gehören für uns zum gewohnten Bild der Alpen. Dass diese typische Landschaft erst durch den Eingriff des Menschen entstanden ist, ist wiederum nicht allen Wanderern und Sommerfrischlern bekannt. Spuren von Hirtenunterständen und Tierpferchen geben im gesamten Alpenraum Hinweise auf eine Nutzung dieser schroffen Regionen seit mindestens 3.000 Jahren. Aber auch Anzeichen von Opferfeuern und Weihegaben zeigen, dass Menschen die Lagen über 2.000 Meter aufgesucht haben.

Grabungen am Potschepol

In der Schobergruppe, im zentralen Teil der Hohen Tauern, finden unter der Leitung von Harald Stadler Grabungen des Instituts für Archäologien der Uni Innsbruck zu dieser Fragestellung statt. Seit August gräbt eine Gruppe von Studierenden im Rahmen einer Lehrgrabung im hochalpinen Gelände. Dabei werden in diesem Jahr mehrere der schon bekannten Strukturen genauer untersucht – das verlangt nicht nur Geschick, um die oft sehr kleinteiligen und feinen Befunde freizulegen, sondern auch Ausdauer, da immer wieder weite Strecken im Gelände zurückgelegt werden müssen.

Seit 2006 wird ein über 20 Hektar großes Gebiet rund um den sogenannten Potschepol, eine auf 2.300 Metern gelegene Hochfläche und den Alkuser See – einen der größten Bergseen Osttirols, der auf 2.400 Metern Höhe liegt –, untersucht. Der Potschepol wird im Westen, auf ungefähr der Hälfte der Fläche, von einem nacheiszeitlich verlandeten See dominiert. Mehrere Quellen im Umfeld, kleine Wasserfälle und ein Bach, der über die Fläche mäandriert, versorgen das Gebiet mit Wasser. Im östlichen Teil wird die Fläche von einer Klaubsteinmauer durchzogen – diese Art von Mauer findet sich im gesamten Alpengebiet und wird in dieser Form auch heute noch aus locker übereinandergelegten Steinen errichtet.

Besondere Formationen

Ausschlaggebend für die Untersuchungen war eine Steinplatte mit römischen Inschriften. Begehungen im Gebiet zeigten eine Reihe von Strukturen – meist obertägig sichtbare Massierungen von Steinen –, die von noch klar erkennbaren verfallenen Hütten aus jüngerer Zeit bis zu unscharfen rundlichen Ansammlungen reichen. Insgesamt konnten zwischen 2.200 und 2.350 Meter Seehöhe über 35 verschiedene Formen dokumentiert werden. Diese Formationen können obertägig und ohne archäologische Grabung nur annähernd beschrieben, aber oft nicht datiert oder genauer angesprochen werden. Zur genaueren zeitlichen Eingrenzung können Streufunde oder C14-Datierungen aus Bohruntersuchungen beitragen.

Der Potschepol bildet eine Hochebene auf 2.200 Metern Seehöhe und ist damit als Hochweidegebiet hervorragend geeignet. Hier untersucht ein Team vom Institut für Archäologien der Uni Innsbruck um Harald Stadler seit 2006 Weidenutzung und Kult aus der Ur- und Frühgeschichte bis in die römische Kaiserzeit.
Foto: E. Waldhart

Hirtenhüttenmauern

In der Mitte der Fläche befindet sich eine natürliche Steinmassierung. Darin erkennbar sind immer wieder gelegt wirkende Mäuerchen, die sich zu runden, mehrere Quadratmeter durchmessenden Pferchen schließen. Eine an einen solchen Pferch angrenzende rechteckige Struktur wurde als eisenzeitliche Hirtenhütte identifiziert und nahezu vollständig ausgegraben. Die fünf mal 3,5 Meter messende rechteckige Hütte lässt sich in eine zweiphasige Feuerstelle und einen eingeebneten Wohnbereich unterteilen. Die markantere der beiden Feuerstellen setzt sich aus einer Bodenplatte und senkrecht gesetzten Wandplatten zusammen. Die Wände bestehen aus Trockenmauern, die noch mehrlagig erhalten sind, an einer Seite sind große Steine senkrecht in den Boden gesetzt und mit kleinen Steinen verkeilt worden.

Für diese Hütte wird angenommen, dass die erhaltenen Mauern nicht über einen Meter aufgeschlichtet waren – vielmehr könnte das Dach aus Holzbalken und Decken bestanden haben, die aus dem Tal mit den Tieren hinaufgebracht worden sind. Ein aktueller Schnitt durch den Tierpferch zeigt, dass auch dieser ursprünglich aus mehreren Steinlagen bis zu mindestens 50 Zentimeter Höhe aufgemauert war.

In einen natürlichen Schutthaufen eingebettet befindet sich die rechteckige eisenzeitliche Hüttstatt, an die ein rundlicher Tierpferch anschließt. Verteilt in der Struktur können weitere mögliche Pferche ausgemacht werden.
Foto: A. Obexer

Ort der Opferhandlungen

Eine auffällige Massierung von Steinen mit einem Durchmesser von zehn Meter kann als ein Ort für Kulthandlungen – insbesondere in Verbindung mit Feuern – angesprochen werden. In diesem Bereich zeigen sich auffällige rundliche Steinpackungen von einem Meter, die dicht an dicht gesetzt sind. Zwischen den Steinen stecken Keramikfragmente, diese können aufgrund der auffälligen Oberfläche und der Randformen in die römische Kaiserzeit – zwischen dem 1. und 4. Jh. n. Chr. – datiert werden. Unter diesen Steinansammlungen ist die Bodenoberfläche zum Teil rötlich verfärbt, und es zeigen sich dunkle Stellen und mit Holzkohle verfüllte Gruben.

Wie Keramik, möglicherweise noch aus des ausgehenden Bronzezeit, aus diesen Bereichen zeigt, sind die Gruben mindestens ein halbes Jahrtausend älter als die Keramik zwischen den Steinansammlungen. Das spricht für eine lange Nutzungsdauer dieses Platzes. Silexfragmente aus stark kohlehaltigen Schichten im zentralen Bereich der Steinmassierung weisen Merkmale auf, wie sie durch Feuerschlagen entstehen – viele der Steine scheinen so lange benutzt worden zu sein, bis sie komplett aufgebraucht waren und keine Kanten mehr hatten, wie sie zum Feuerschlagen gebraucht werden. Insgesamt lässt sich der Platz, soweit ersichtlich, als ein Ort für Opferhandlungen deuten, bei denen Feuer entfacht wurden – die einzelnen Feuerstellen wurden immer wieder mit Steinen abgedeckt. Diese Hügelchen aus Steinen zeichneten sich im Gelände ab und wurden im Lauf der Jahrhunderte immer wieder aufgesucht.

Obertägig ist von der untersuchten Struktur eine Anhäufung von Steinen zu erkennen, die sich als seichter Hügel im Gelände abzeichnen. Daneben verläuft eine Klaubsteinmauer, die neuzeitliche Weidegebiete voneinander abgrenzt.
Foto: E. Waldhart
30 Zentimeter unter der Grasnarbe zeigen sich dunkle, kohlige Flecke und mit Holzkohle verfüllte Gruben, die Hinweise auf Opferhandlungen in diesem Bereich geben.
Foto: E. Waldhart
Der Brandopferplatz am Ufer des Alkuser Sees zeichnet sich durch dunkle Kohleschichten aus. Die flache Kuppe ist im Gelände kaum zu erkennen. Auch in diesem Gelände werden die Funde und Befunde von den Archäologen und Archäologinnen genau dokumentiert und eingemessen.
Foto: E. Waldhart
Direkt unterhalb der hochalpinen Matten befinden sich die massiven Kohleschichten – der Bodenaufbau im Hochgebirge erfolgt langsam, entsprechend dünn und zum Teil verschliffen sind die archäologisch dokumentierbaren Schichten. Auffällig ist die massive Steinpackung im Zentrum der Hügelkuppe.
Foto: E. Waldhart

Am Ufer des Alkuser Sees, auf rund 2.400 Metern Seehöhe gelegen, konnte ein weiterer Opferplatz identifiziert werden. Dieser liegt auf einer verflachten Hügelkuppe. Auch hier zeugen massive Kohleschichten von wohl immer wieder entzündeten Feuern. Der zentrale Bereich des Hügels wird dabei von einer seichten, mit Kohle verfüllten und Steinen bedeckten Grube gebildet. Im Umfeld verteilt finden sich Fragmente von reich verzierten Kannen, die typisch für die späte Bronzezeit, um 1.200 v. Chr., in diesem Gebiet sind. Zusammen mit den hier gefundenen verbrannten Knochen kann das Ensemble als ein prähistorischer Brandopferplatz, wie sie im gesamten inneralpinen Bereich auch aus größeren Höhen bekannt sind, gedeutet werden. Bei diesen Befunden handelt es sich um einen der höchstgelegenen bekannten Brandopferplätze in Österreich. (Elisabeth Waldhart, 13.8.2018)