Bild nicht mehr verfügbar.

Amazon expandiert sein eigenes Werbesystem zusehends

Foto: Reuters/Rossignol

Wer bei Amazon nach Kopfhörern, Fernsehern oder Computermäusen sucht, muss erst einmal scrollen, um zu "normalen" Suchergebnissen zu gelangen. Denn die ersten angezeigten Produkte sind gesponsert, also klassische Werbeanzeigen. In nahezu allen Produktkategorien, die Amazon verkauft, sind mittlerweile Anzeigen zu finden. Die gibt es zwar schon seit einigen Jahren, in der jüngeren Vergangenheit ist deren Nutzung jedoch explodiert.

Gute Sichtbarkeit hilft Verkauf

Das liegt daran, dass immer mehr Firmen erkennen, wie wichtig eine gute Sichtbarkeit bei Amazon-Suchergebnissen für ihre Verkaufszahlen ist. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Ausgaben für Amazon-Werbeanzeigen insgesamt um 165 Prozent an, sagt die Marketing-Agentur Merkle. Werbung ist momentan die am schnellsten wachsende Sparte bei Amazon, wenngleich bei nackten Zahlen natürlich das Kerngeschäft Onlinehandel ungleich wichtiger ist. Aber schon jetzt setzt Amazon wohl Milliarden Dollar mit Werbeanzeigen um.

Eine Suche nach "Kaffee": Oben gesponserte Marken (Nestle), darunter zwei gesponserte Produkte
Foto: Screenshot

"Niemand scrollt auf die nächste Seite, wenn er etwas sucht", sagt der Marketing-Experte Jason Goldberg zu re:code. Wer Produkte verkaufen will, muss bei Amazon-Suchen gute Platzierungen erreichen. Im Prinzip funktioniert das Buchen von Werbung ähnlich wie bei Google: Werbekunden geben Schlagworte an, legen ein Budget fest und zahlen nur, wenn ihre Anzeige tatsächlich geklickt wurde. Amazon nimmt quasi doppelt ein: Zuerst für den Werbeklick, dann für die Abwicklung des Kaufs.

Zugriffszahlen steigen

Amazon unterscheidet drei Arten von Werbeanzeigen: Gesponserte Produkte erscheinen normal in den Suchergebnissen. Gesponserte Marken werden ganz oben angezeigt, dort können mehrere Produkte beworben werden. Außerdem gibt es noch die Möglichkeit, bei Konkurrenzprodukten aufzutauchen. Mittlerweile sollen rund acht Prozent aller angesehenen Produkte bei Amazon über Werbeanzeigen zu Nutzern gelangt sein.

Kennzeichnung

Fraglich ist, wie viele User erkennen, dass gesponserte Anzeigen den Weg in ihre Suchergebnisse gefunden haben. Das Inserat ist lediglich über eine kleine graue Dachzeile mit der Aufschrift "Gesponsert" als solches erkennbar. Nutzer erhalten durch die Werbebuchungen nicht zwingend jene Produkte, die von der Amazon-eigenen Suchmaschine als optimale Ergebnisse ausgespuckt werden.

Dominanz

Außerdem festigt Amazon so sein eigenes Ökosystem. Google wurde von der EU-Wettbewerbshütern ja dafür abgemahnt, Google Shopping prominent in seinen Suchergebnissen zu platzieren. Amazon gilt hingegen nicht als Suchmaschine, obwohl der Onlinehändler de facto für viele User die erste Anlaufstelle für Produktsuchen geworden ist. Das Kartellrecht tut sich ingesamt schwer damit, Amazon zu bändigen. Die Expansion des hauseigenen Werbegeschäfts sorgt hier für weitere Sorgenfaltern bei Kartellrechtlern. (fsc, 12.9.2018)