Was geschah an unserem ersten Schultag? Die meisten von uns haben noch verhältnismäßig klare Erinnerungen an dieses Ereignis, die wie viele andere Momente auch in unserem episodischen Gedächtnis verankert sind. Wie genau diese räumlichen und zeitlichen Informationen zu persönlichen Erlebnissen gespeichert sind, dazu gab es bisher jedoch teilweise widersprüchliche Ergebnisse. Neurowissenschaftern ist nun der Nachweis gelungen, dass räumliche und zeitliche Daten im Hippocampus sowohl unabhängig voneinander als auch gemeinsam abgelegt werden können und so die Erinnerung an Erlebtes bilden.

Das episodische Gedächtnis ermöglicht es, dass wir Erfahrungen, die in einer bestimmten Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt gebildet wurden, abrufen können. "Aber die Erlebnisse müssen uns stark geprägt haben, damit sie in Erinnerung bleiben. Interessant ist dabei: War uns bei unserem ersten Schultag beispielsweise besonders wichtig, mit wem wir ihn verbracht haben, wird die Erinnerung auf andere Weise im Gehirn kodiert, als wenn wir uns erinnern, wann und wo die Feier stattfand", erklärt Magdalena Sauvage vom Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) in Magdeburg.

Unvollständiges Konzept

Aus früheren Studien wussten die Forscher bereits, dass das Was und Wo von Erlebnissen durch separate Pfade im Gehirn abgespeichert wird. "Es gibt ein traditionelles Zwei-Wege-Modell für das episodische Gedächtnis, das jedoch die zeitliche Dimension nicht klar mit einbezieht. Außerdem basiert es auf der Annahme, dass räumliche und zeitliche Informationen im Hippocampus systematisch integriert werden. Aktuellere anatomische und funktionelle Studien haben uns jedoch darauf schließen lassen, dass dieses Konzept nicht vollständig ist", sagt Sauvage.

Deshalb hat das Forscherteam um die Neurobiologin weiterführende Verhaltensexperimente mit Mäusen gemacht, die auch bei Menschen durchgeführt werden. Bei diesen Versuchen spielten räumliche und zeitliche Komponenten eine Rolle. Innerhalb von einer Stunde bekamen die Tiere zwei Varianten von Objektsets präsentiert. Ob sich eine Maus an die Positionen bestimmter Objekte und den Präsentationszeitraum erinnert hat, konnten die Wissenschafter daran ablesen, dass sich Mäuse zunächst immer den Objekten mit geänderter Lage oder den zuerst gezeigten Objekten zugewendet haben.

Aktivierte Gehirnbereiche

Außerdem setzten die Wissenschafter bildgebende Verfahren auf molekularbiologischer Ebene ein: Die Zellen der Mäuse wurden unter dem Mikroskop mit fluoreszierenden Markern auf das Gen Arc untersucht. Dieses spielt bei plastischen Prozessen eine wichtige Rolle, wenn sich Aktivitätsmuster im Gehirn ändern, um Informationen dauerhaft einzuspeichern. "Wir konnten dadurch sehen, wenn bestimmte Hirnbereiche aktiviert sind und die Anzahl der beteiligten Nervenzellen auszählen", sagt Sauvage.

Beim Auswerten stellten die Forscher fest: Im Hippocampus sind die Unterregionen CA1 und CA3 beide an der Bildung des episodischen Gedächtnisses beteiligt, aber auf unterschiedliche Art. "Erstmalig konnten wir zeigen, dass zeitliche Informationen nur in einem bestimmten Bereich der Unterregion CA1 und räumliche Informationen in den beiden Unterregionen CA1 und CA3 gespeichert werden", so Sauvage.

Die Ergebnisse dieser im Fachjournal "PLOS Biology" veröffentlichen Studie bestätigen, dass das traditionelle Modell für die Bildung eines episodischen Gedächtnisses und das Konzept von getrennten Netzwerken für die Speicherung von räumlichen und zeitlichen Informationen unter bestimmten Bedingungen miteinander vereinbar sind. "Es handelt sich demzufolge um verschiedene Aspekte des gleichen Konzepts und diese Erkenntnis ist ein Durchbruch", fasst Sauvage zusammen. (red, 13.9.2018)