Aufladbare Batteriezellen für Elektroautos sollen künftig vermehrt aus der EU kommen – die Konkurrenz soll abgehängt werden.

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Europa schien durch jahrelanges Festhalten an konventionellen Fahrzeugantrieben den Zug der Zeit verpasst und die führende Rolle bei der Produktion von Batterien für Elektroautos für immer an Hersteller in Asien verspielt zu haben. Das Blatt könnte sich nun aber überraschenderweise zugunsten europäischer Hersteller wenden.

Das hat im Wesentlichen mit den wachsenden Überkapazitäten beim Herzstück des Elektroautos, der Batterie, zu tun. Das wird absehbarerweise zu einem gewaltigen Preisrutsch führen. Nur wer in der Lage ist, hochgradig automatisierte, voll vernetzte und flexibel gestaltbare Fabriken auf die grüne Wiese zu setzen, werde künftig die Nase vorn haben, geht aus einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) hervor. Europäische Hersteller, die erst jetzt in die Batteriefertigung einsteigen, könnten die asiatische Konkurrenz abhängen, die in herkömmlichen Strukturen gefangen ist.

Preise werden einbrechen

In der Studie, die dem STANDARD vorliegt, wurden die bestehenden und in den nächsten drei Jahren noch dazukommenden Produktionskapazitäten erhoben und mit dem dann voraussichtlich bestehenden Bedarf an Batterien verglichen. Demnach werde es im Jahr 2021 weltweit eine rund 40-prozentige Überkapazität bei der Produktion von Batteriezellen geben, was die Preise dramatisch einbrechen lassen wird. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass es in Europa selbst eine Unterkapazität von knapp 50 Prozent gibt.

Rund die Hälfte der Kosten eines Elektroautos entfällt auf den Antriebsstrang, 35 Prozent der Gesamtkosten allein auf die Batterie. Um trotz der sich abzeichnenden starken Preiserosion ihre Marge zu retten, müssten Batteriehersteller die Produktionskosten deutlich drücken. In der "Fabrik der Zukunft", in der sämtliche Bereiche und Prozesse voll digitalisiert sind und das Layout der Fabrik flexibel an die Anforderungen angepasst werden kann, ließen sich die Gesamtproduktionskosten je Batteriezelle um zumindest 20 Prozent senken, haben die Experten von BCG errechnet.

Auch wenn die Lithium-Ionen-Technologie möglicherweise früher als später von einer anderen, effizienteren und eine größere Reichweite versprechenden abgelöst wird, sei dies kein Grund, länger zuzuwarten. "Wer erfolgreich sein will, muss jetzt handeln, um rechtzeitig Know-how aufzubauen und Erfahrung zu sammeln," sagte Daniel Küpper, einer der Studienautoren, dem STANDARD. Ein neues Werk auf der grünen Wiese sollte möglichst modular aufgebaut werden. Kipper: "Dann spart man sich weitere Investitionen, wenn irgendwann der Wechsel von Lithium-Ionen- auf Festkörperbatterien kommt."

Aktionsplan für die EU

Erst im vergangenen Herbst hat die EU-Kommission eine Initiative gestartet, mit europäischen Unternehmen der Auto- und Chemieindustrie eine Batteriezellenproduktion auf die Beine zu stellen. Die Zellen sind das Herz der Batterie, sie sind für die Reichweite entscheidend. Bis 2025 könnten nach EU-Schätzung zehn bis 20 große Zellfabriken benötigt werden – für ein Marktvolumen von dann rund 250 Milliarden Euro. Mitte Mai präsentierte EU-Energiekommissar Maros Sefcovic einen Aktionsplan, mit dem Forschung und Entwicklung gefördert sowie die Rohstoffbeschaffung und Finanzierung geprüft werden sollen. "Wir müssen schnell sein, weil wir in einem globalen Rennen sind", sagte Sefcovic damals. Ziel sollte sein, eine drohende technologische Abhängigkeit von außereuropäischer Konkurrenz zu verhindern.

Außereuropäische Konkurrenz, das sind im Wesentlichen die japanisch-amerikanische Achse zwischen Panasonic und Tesla (mit einer im Entstehen begriffenen Riesenproduktion in Nevada), die chinesischen Unternehmen CATL (Contemporary Amperes Technology Co; plant im Osten Deutschlands eine Produktion) sowie BYD (Build Your Dreams) und die beiden koreanischen Unternehmen LG Chem sowie Samsung SDI. Daneben gibt es speziell in China noch hunderte kleine bis mittelgroße Batteriehersteller, die mit staatlichen Mitteln angeschoben wurden und nun zunehmend ums Überleben kämpfen.

Produktionsstart im Jahr 2020

In Europa will das schwedische Start-up Northvolt mit Unterstützung von Siemens, ABB und der VW-Tochter Scania mit der Zellforschung beginnen. Produktionsstart einer Fabrik soll Ende 2020 sein. Auch Saft in Frankreich steht in den Startlöchern. Die Batterietochter des Ölkonzerns Total wird von Siemens, der deutschen Manz und dem belgischen Chemieunternehmen Solvay unterstützt. Terra E ist ein weiteres Unternehmen, das in die Batteriefertigung in Europa einsteigen möchte. Das deutsche Start-up wird unter anderem von ThyssenKrupp und der Deutschen Post unterstützt. Letztere hat bereits Erfahrung im Bereich Elektromobilität mit ihrem Kleintransporter Streetscooter gesammelt. (Günther Strobl, 13.9.2018)