Pavitra Vandenhoven aus Belgien zählt zur Elite im Paraclimben. Geklettert wird im Nachstieg, gesichert wird von oben mit Seil.

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Innsbruck – Jasmin Plank hat ein Ziel: "Ich will ins Finale, um in der Olympiaworld zu klettern." Am vergangenen Wochenende saß die 30-Jährige aus Hall in Tirol noch im Publikum. Sie feuerte Jessica Pilz und Jakob Schubert auf deren Weg zu WM-Gold an. Nun will sie selbst ins Finale und um eine Medaille klettern. Allein beim Gedanken daran bekommt sie Gänsehaut.

Die Highlights aus der Qualifikation
International Federation of Sport Climbing

Plank ist Teil des österreichischen Paraclimbing-Nationalteams, das heuer erstmals an einer Kletter-WM teilnimmt. Und dann gleich zu Hause. Für die an spastischer Tetraparese, also einer unvollständigen Lähmung aller vier Extremitäten erkrankte Sportlerin ein Traum. Freunde und die Familie werden zusehen, wenn sich Plank und ihre Teamkollegen mit der Weltspitze messen. Es wird, wenn man so will, auch die erste große Standortbestimmung für den hierzulande noch jungen Paraclimbing-Sport.

"Wir haben noch einigen Aufholbedarf, weil wir erst vor drei Jahren mit dem Nationalteam begonnen haben", sagt Katharina Saurwein. Die Boulder-Spezialistin, die selbst bei der WM am Start ist, fungiert gleichzeitig als Trainerin der elf österreichischen Paraclimber, die bei der WM antreten. Briten, Italiener und Franzosen seien derzeit führend in dieser Disziplin. Trotzdem hofft man auf einige Finalplätze. Ob sogar eine Medaille möglich ist, hänge von der Tagesform ab.

Einziger Unterschied

Beim Paraclimben wird im Nachstieg geklettert, es gilt also auf einer Route möglichst weit, sprich hoch zu gelangen. Im Unterschied zu den Kletterern ohne Beeinträchtigung wird beim Paraclimben mit Toprope, also von oben herab, mit Seil gesichert wird. Denn für Athleten, die nicht alle vier Extremitäten voll einsetzen können, wäre es unmöglich, sich festzuhalten und zugleich die Sicherungen selbst einzuhängen. Geklettert wird in drei verschiedenen Kategorien: Sehbeeinträchtigungen, neurologische Beeinträchtigungen und Amputationen. In jeder Kategorie gibt es weitere Unterteilungen je nach Schwere des Handicaps.

Während Plank zu den Athletinnen mit neurologischer Beeinträchtigung zählt, werden Rollstuhlfahrer wie Bastjan Halas (39) und Angelino Zeller (22) zu den Amputierten gerechnet. Die beiden Steirer starten in unterschiedlichen Klassen. Halas – er verunglückte 2013 beim Sportklettern und fand über das Paraclimben zurück zu seiner Leidenschaft – hat einen inkompletten Querschnitt, der es ihm noch ermöglicht, die Beine zumindest etwas anzuheben. Zeller ist seit einem Unfall beim Paragleiten 2017 komplett gelähmt.

Ausgeblendetes Kopfkino

Die Athleten kompensieren ihre Handicaps mit enormer Kraft im Oberkörper. "Ich tue mir leichter, wenn ich im Überhang klettere, weil sonst die Beine an der Wand schleifen", erklärt Zeller, worauf es in seiner Disziplin ankommt. Oft sei Routenbauern noch nicht bewusst, welche Anforderungen die Paraclimber haben. Der Sport entwickle sich erst.

Insgesamt sind nicht weniger als 140 Paraclimber am WM-Start. Ein neuer Rekord. Die elf österreichischen Athletinnen und Athleten hoffen, dass ihr Sport durch die Heim-WM mehr Bekanntheit erlangt. "Ich kann allen, die eine Beeinträchtigung haben und meinen, das wäre nichts für sie, nur raten, es auszuprobieren", sagt Plank. Sie selbst habe durch das Klettern enorm profitiert, physisch wie psychisch. "Wer eine Beeinträchtigung hat, bei dem läuft oft viel Kopfkino. Aber beim Klettern musst du fokussieren und alles ausblenden."

Wie gut ihr das bei den Weltmeisterschaften vor dem begeisterten Innsbrucker Publikum gelingen wird, wagt sie selbst noch nicht zu sagen. Auf die Frage, wie das Gefühl ist, hier zu klettern, grinst Plank übers ganze Gesicht, hebt den Arm und zeigt auf ihre Gänsehaut: "Mehr muss ich nicht sagen, oder?" (Steffen Arora, 12.9.2018)