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Ein Krönchen trägt auch die neue Miss America, Nia Imani Franklin. Einen Badeanzug musste sie im Bewerb aber nicht mehr vorführen.

Foto: Reuters

Nia Imani Franklin hat Musik studiert, sie singt Opernarien, und als sie sich den Juroren der Miss-America-Show vorstellen sollte, sprach sie von Härte. Sie besitze ein Durchhaltevermögen, wie es typisch für New York sei, sagte sie. "Als New Yorkerin weiß ich, was es heißt, hart zu arbeiten." Das klang zwar genauso einstudiert wie der Satz, dass sie begeistert sei, weil sie ihre soziale Plattform in den Dienst der Kunstförderung stellen könne.

Dennoch, Nia Franklin hat Geschichte geschrieben. Die 25-jährige Afroamerikanerin ist die erste Miss America, die zur Schönheitskönigin gekrönt wurde, ohne viel nackte Haut gezeigt zu haben. Die Erste, die nicht im Bikini über eine Bühne zu laufen brauchte. Das Schaulaufen in Badeanzügen, es war das Markenzeichen der Show, als sie 1921 Premiere feierte. Das ist seit dem vergangenen Wochenende passé, und um schon von den Etiketten her deutlich zu machen, was für ein Kulturwandel sich da gerade vollzieht, reden die Organisatorinnen nur noch von Miss America 2.0.

Tiefe Spuren der MeToo-Bewegung

Was sich nicht geändert hat, ist der Schauplatz: Atlantic City, die Kasinostadt an der Küste New Jerseys, der man auf den ersten Blick ansieht, dass sie schon bessere Zeiten erlebt hat. Ansonsten hat die MeToo-Bewegung tiefe Spuren hinterlassen. Statt in erster Linie die Figur zu bewerten, wurden die Kandidatinnen zu ihrem sozialen Engagement und ihren politischen Interessen befragt. Die Kulisse schmückten Stichworte, die das mit dem 2.0 unterstreichen sollten. "Furchtlos". "Intelligent". "Stark".

Der Wandel hat mit Gretchen Carlson zu tun, der Miss America des Jahres 1989. Einst Moderatorin des konservativen Senders Fox News, sorgte sie für Furore, als sie den Fox-News-Chef Roger Ailes wegen sexueller Belästigung verklagte. Ailes musste zurücktreten, Carlson wurde zum Aushängeschild des Miss-America-Wettstreits, dessen Organisation nun komplett in weiblichen Händen liegt. Frühere Manager mussten ihren Hut nehmen, nachdem publik geworden war, wie abfällig sie sich in E-Mails über den Intellekt und das Sexualleben mancher Kandidatinnen geäußert hatten.

Frauen schaffen sich Gehör

"Wir sind kein Schönheitswettbewerb mehr", hatte Carlson bereits im Juni das neue Konzept umrissen. "Wir erleben in unserem Land eine kulturelle Revolution, bei der Frauen den Mut finden, aufzustehen und sich zu vielen Themen Gehör zu verschaffen." Miss America sei stolz darauf, sich in diese Bewegung einreihen zu können. Es solle weniger um das Äußere gehen, mehr um innere Werte.

Da war zum Beispiel Emily Sioma, Miss Michigan, die das bleivergiftete Trinkwasser der Autostadt Flint zum Thema machte. Sie komme aus einem Bundesstaat, der zwar über mehr als 84 Prozent der Süßwasserreserven der USA verfüge, nicht aber über Wasser, das seine Bewohner trinken könnten. Zur Erklärung: Michigan grenzt an vier der fünf Großen Seen, doch weil das hochverschuldete Flint Geld sparen wollte und seine Versorgung auf lokale Quellen umstellte, floss dort bleihaltiges Wasser aus dem verseuchten Flint River in die Haushalte.

Woran sich nichts geändert hat, ist das Zahnpastalächeln, das die Anwärterinnen auf die Krone wie auf Kommando anknipsen müssen, sobald sie im Scheinwerferlicht stehen. Und noch immer müssen sie unterschreiben, dass sie weder verheiratet waren noch schwanger sind und in den zwölf Monaten, in denen sie eventuell als aktuelle Miss America durchs Land reisen, nicht planen, schwanger zu werden. Immerhin, bis vor vier Jahren hatten sie noch vertraglich zuzusichern, niemals schwanger gewesen zu sein. (Frank Herrmann aus Washington, 13.9.2018)