Der russische Kosmonaut Sergej Prokopjew deutet auf das mit dunklem Gewebe versiegelte Loch in der Bordwand der Sojuskapsel MS-09.

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Moskau – Vor zwei Wochen sorgte ein millimeterkleines Loch in der Bordwand der an der ISS angedockten Sojuskapsel MS-09 für einen kurzzeitigen Druckabfall in der Station. Eine nähere Begutachtung kurz vor der Abdichtung durch die Astronauten hatte ergeben, dass die Beschädigung möglicherweise von Menschenhand herbeigeführt wurde. Kurz darauf spekulierten insbesondere russische Medien über bewusste Sabotage, womöglich durch US-Besatzungsmitglieder der Raumstation.

Nun traten ranghohe Vertreter Russlands mit Nachdruck gegen diese Berichte auf: "Es ist absolut inakzeptabel, Zweifel an unseren Kosmonauten und den US-Astronauten zu wecken", erklärte der für Raumfahrt und Verteidigung zuständige Vize-Regierungschef Juri Borissow. Es sei darüber hinaus "gefährlich", über die Untersuchungsergebnisse zu spekulieren, während an Bord der ISS "eine Gruppe, in der es keine politischen Unstimmigkeiten gebe, einträchtig" arbeite, erklärte Borissow weiter am Mittwoch laut der Nachrichtenagentur RIA Nowosti.

Gerüchte torpedieren freundschaftliche Beziehungen

Der Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Dmitri Rogosin, erklärte auf Twitter, "die Verbreitung von Gerüchten und Unterstellungen" helfe den Experten nicht und "zielt darauf ab, die freundschaftlichen Beziehungen an Bord der ISS zu schädigen". Rogosin war allerdings der erste gewesen, der kurz nach Bekanntwerden des Lecks von möglichem Vorsatz gesprochen hatte.

Die Zeitung "Kommersant" (Mittwochsausgabe) hatte unter Berufung auf einen russischen Ermittler berichtet, für die Untersuchungskommission habe die Theorie, wonach das Loch vorsätzlich von US-Astronauten gebohrt worden sei, "Priorität". Womöglich hätten die US-Astronauten das Loch gebohrt, um eine Notsituation herbeizuführen, die es erlaube, die Rückkehr eines kranken Kollegen zur Erde zu beschleunigen.

Erkrankter US-Astronaut?

Auf der ISS arbeiten Russland und die USA trotz zahlreicher diplomatischer Spannungen zusammen. Die Besatzung besteht derzeit aus sechs Astronauten – drei aus den USA, zwei aus Russland und einem Deutschen. Über eine Erkrankung eines Besatzungsmitglieds wurde bisher nichts bekannt.

Die US-Raumfahrtbehörde NASA kommentierte die Vorwürfe bisher nicht, auch der deutsche Astronaut Alexander Gerst sagte nichts zu den Spekulationen. Sein russischer Kollege Sergej Prokopjew betonte indes in einem kurzen Video: "Bei uns ist alles in Ordnung. Wir leben in Frieden zusammen. Die Arbeit funktioniert auf freundschaftlicher Basis." Man müsse sich keine Sorgen um die ISS-Crew machen, erklärte der Kosmonaut. (APA, red, 12.9.2018)