Selfies im Stadion könnten künftig gegen das Urheberrecht von Sportveranstaltern verstoßen.

Foto: APA/AFP/ODD ANDERSEN

Am Mittwoch stimmte das EU-Parlament nach mehr als 200 Abänderungsanträgen für eine Urheberrechtsreform mit Uploadfilter und Leistungsschutzrecht. Was das konkret in der Praxis heißt, ist unklar. Der Text wird im nächsten Schritt in den sogenannten Triloggesprächen mit nationalen Regierungen geklärt, auch müssten Unklarheiten vom Europäischen Gerichtshof ausjudiziert werden. Aus Sicht von Netzaktivisten sehen die aktuellen Pläne aber Maßnahmen vor, die die Freiheit des Internets massiv beschränken. Ein Überblick.

Was sind Uploadfilter überhaupt?

Uploadfilter sind eine Software, die alle hochgeladenen Inhalte auf einer Plattform darauf prüft, ob sie gegen bestimmte Vorgaben verstoßen, in diesem Fall gegen das Urheberrecht. Dazu gehören zum Beispiel Fotos, Videos und Tonaufnahmen, aber auch Texte und Programme. Beispiele sind Zusammenschnitte von Serien, aber auch etwa Memes.

Was ist mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung?

Ein Filter, der automatisch Inhalte blockiert, dürfte gegen europäische Grundrechte verstoßen. Der Jurist Lukas Feiler von Baker McKenzie verweist dazu auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2012: Dieser hatte entschieden, dass ein soziales Netzwerk keine automatischen Filtermechanismen gegen Urheberrechtsverletzungen einführen muss. "Der EuGH hat klare Schranken gesetzt", sagt Feiler. Ein Uploadfilter würde wohl angefochten und vom Höchstgericht gekippt werden – bis dahin vergingen freilich ein paar Jahre.

Sind solche Filter nur für Urheberrechtsverletzungen angedacht?

Auch in anderen Bereichen könnten Uploadfilter zum Einsatz kommen. So plant die EU-Kommission einen solchen für Inhalte, die zu terroristischen Straftaten aufrufen oder "offensichtliche Straftaten im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung" darstellen.

Welche Befürchtungen gibt es sonst?

Kritiker des Uploadfilters weisen darauf hin, dass eine Maschine Kontext nicht erkennen kann. Parodien oder Zitate sind eigentlich erlaubt – ein Filter würde sie aber nicht als solche erkennen. Ebenfalls problematisch ist, dass es höchstwahrscheinlich zu einem sogenannten "Overblocking" kommen wird. Aus Angst vor Strafe werden die meisten Plattformen wahrscheinlich den Filter strenger ausrichten als notwendig, um zu verhindern, dass es zu einer Urheberrechtsverletzung kommt, wodurch auch legale Inhalte blockiert werden.

Was ist die Linksteuer?

Die vom EU-Parlament vorgeschlagenen Regeln sehen vor, dass bei Verweisen nur "einzelne Wörter" des verlinkten Texts angeführt werden dürfen. Das soll Nachrichtenaggregatoren wie Google News das Leben schwermachen, könnte aber das Internet fundamental verändern. Denn oft bestehen schon die verlinkten Internetadressen aus einer ganzen Reihe von Wörtern, etwa einer langen Artikelüberschrift. Bei einer strengen Auslegung wären solche Links also verboten.

Wie würde eine Linksteuer die Medienlandschaft verändern?

Die Einführung des Leistungsschutzrechts in Deutschland und Spanien hat gezeigt, dass Verlage schließlich doch nicht auf Zugriffe über Google News verzichten wollen. Die meisten deutschen Verlage haben Google deshalb Ausnahmeregelungen gewährt. Außerdem könnte es zu einer paradoxen Situation kommen: Wenn Zeitung A etwa in eigenen Worten über einen Artikel aus Zeitung B berichtet, könnte das erst dann rechtlich heikel werden, wenn Zeitung A auf den Artikel bei Zeitung B verlinkt und die Internetadresse (URL) des verlinkten Artikels die Überschrift des Artikels enthält. Das wäre der "Untergang des Grundgedankens des Internets", sagt Feiler.

Hätten europäische Nutzer einen Nachteil, oder gelten die Regeln weltweit?

In den USA gibt es im Urheberrecht breitflächige Ausnahmen, die unter dem Begriff "Fair Use" zusammengefasst werden. Das europäische Regelwerk gilt nur für Inhalte, die in der EU abrufbar sind. Das heißt, dass es zu Blockaden für europäische Nutzer kommen könnte, erklärt Feiler. Deutsche User waren das bislang schon aufgrund der berühmten Gema-Sperren – benannt nach der deutschen Verwertungsgesellschaft – auf Youtube gewohnt.

Wie ist das mit Exklusivrechten für Sportveranstalter?

Über den Sommer ist ein neuer Vorschlag dazugekommen, der nun akzeptiert wurde: Sportveranstalter sollen künftig das exklusive Recht auf ihre Inhalte erhalten. Das beschränkt sich nicht nur auf Aufnahmen, die von ihnen selbst erstellt wurden, sondern betrifft jeglichen Content, der bei Events aufgenommen wird. Das würde bedeuten, dass etwa Selfies oder Videoaufnahmen im Stadion eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Hier passiert laut Feiler "ein sehr deutlicher Eingriff in die Grundrechte", der vor dem EuGH gekippt werden könnte.

Ist das neue Urheberrecht in dieser Form fix?

Nein – die Pläne sollen nun bei den Triloggesprächen im EU-Rat mit den Regierungen diskutiert werden. Danach stimmt das EU-Parlament im Mai 2019 nochmals ab. Kommt es zu einem Nein, wird der gesamte Prozess wiederholt. (Fabian Schmid, Muzayen Al-Youssef, 13.9.2018)