Rund ein Jahr lang versuchten sich die Unternehmen Obike und Ofo in Wien als Fahrradverleiher. Hunderte Räder wurden über die Stadt verteilt, Nutzer konnten sie per App mieten und parken, wo sie wollten. Das führte bald zu einem Reigen an Beschwerden über verstopfte Fahrradständer, Verkehrsbehinderungen und nicht auffindbare Bikes. Die Stadt kündigte strengere Regeln für die Betreiber an. Ofo zog sich daraufhin zurück, Obike schlitterte schon zuvor in finanzielle Turbulenzen. Die verbliebenen Räder wurden von der MA 48 eingesammelt.

Nun will es ein anderes Unternehmen mit ähnlichem Konzept versuchen. Das US-Start-up Lime bringt E-Scooter nach Wien, die ebenfalls mittels App (Android, iOS) frei ausleihbar sein werden. Man gibt sich aber zuversichtlich, eine "Obike-Situation" vermeiden zu können.

Der STANDARD erprobt den S-Scooter von Lime.
DER STANDARD

Erste Scooter kommen Ende September

Die ersten motorisierten Zweiräder sollen Ende September verteilt werden. Für den Pilotversuch wird eine Flotte von 200 bis 300 Scootern aufgestellt. Der Fokus liegt dabei auf der Innenstadt, gefahren werden kann freilich überall im Stadtgebiet. Eine Ausweitung von Inventar und Abdeckung hängt davon ab, wie gut dieses Erstangebot angenommen wird.

Zum Einsatz kommen Scooter des Modells Lime S, der STANDARD konnte einen solchen am Heldenplatz ausprobieren. Der Roller erreicht eine Maximalgeschwindigkeit von etwa 24 km/h. Der Akku soll eine Reichweite von 40 Kilometern erlauben.

Der Scooter in der Seitenansicht.
Foto: derStandard.at/Pichler

Einfach zu fahren

Die Bedienung des Scooters, der naturgemäß deutlich schwerer ist als seine nichtmotorisierten Verwandten, ist einfach. Wer mit normalen Tretrollern etwas Erfahrung hat, sollte keine Probleme haben. Man steigt auf das Trittbrett, taucht mit dem Fuß einmal an und kann dann mit einem einfachen Hebel den E-Motor in Betrieb nehmen, der sich sanft zuschaltet.

Binnen weniger Sekunden ist eine Geschwindigkeit von etwa zehn bis 15 km/h erreicht. Etwa 20 Sekunden benötigt der Scooter, ehe der digitale Tachometer den Maximalspeed ausweist. Die zwei dicken Reifen geben gute Bodenhaftung. Die Bremse greift relativ sanft, sodass ein relativ langer Bremsweg bei höherem Tempo zu berücksichtigen ist. Zu bemängeln ist, dass das Display des Tachos im Sonnenlicht nur schwer ablesbar ist.

Fahren mit dem Lime S macht Spaß. Aber natürlich sollte man nur auf geeignetem Untergrund unterwegs sein. Kopfsteinpflaster sollte man etwa zum Schutz des Rollers und der eigenen Gelenke besser meiden. Im Straßenverkehr sind die E-Scooter zu behandeln wie Räder – sie dürfen also nur auf Radwegen beziehungsweise auf der Straße gefahren werden, wenn kein Radweg vorhanden ist.

Ein weiteres Video zum anstehenden Lime-Start in Wien.
APA

Räder und E-Bikes könnten folgen

Wien sei prädestiniert für den Service, betont Alexander Götz, der das Geschäft der Firma in Österreich leitet. Denn die Stadt sei sehr gut mit Radwegen bestückt. Erfahrung gesammelt hat man schon in anderen europäischen Städten.

In Madrid, Paris und Zürich bietet man ebenfalls E-Scooter an, in Berlin und Frankfurt herkömmliche Räder beziehungsweise E-Bikes. Ob die anderen Fahrunterlagen ebenfalls ihren Weg nach Wien finden, wird erst in Zukunft evaluiert.

Scooter sollen täglich eingesammelt werden

Um kein urbanes Abstellchaos zu verursachen, setzt man auf zwei Schienen. Einerseits möchte man Aufklärung betreiben: Die Lime-App soll darauf hinweisen, wenn der aktuelle Ort zur Abstellung des Scooters ungeeignet ist, und mögliche Parkplätze empfehlen.

Der Tacho des Lime S.
Foto: derStandard.at/Pichler

Zudem gibt es Teams, die am Abend ausrücken und alle Roller einsammeln sollen. Diese werden ins Lager gebracht, geprüft, aufgeladen und am nächsten Tag wieder an geeigneten Stellen aufgestellt. Auch untertags soll eine Mannschaft bereitstehen, um rasch auf Meldungen über schadhafte oder schlecht abgestellte Scooter zu reagieren.

Während bei Obike das Auffinden von Fahrrädern mitunter schwer war, weil der Standort über das Handy der Nutzer und die App eingetragen wurde, verfügen die Scooter selbst über GPS-Module und sollen daher immer aufgespürt werden können. Für Lime gelten die gleichen Regeln wie für Radverleiher ohne Rückgabestationen: Maximal 1.500 Scooter können in der Stadt stationiert werden.

Der Scooter in der Frontansicht.
Foto: derStandard.at/Pichler

Einfaches Preismodell

Beim Preis setzt Lime auf ein recht einfaches Modell. Pro Fahrt zahlt man einen Grundpreis von einem Euro sowie 15 Cent pro Minute. Ist man also zehn Minuten mit einem Scooter unterwegs, werden 2,50 Euro fällig. Das ist auch in etwa das Szenario, für das der Verleih konzipiert ist. Laut Götz eignet sich Lime etwa für Einkaufsfahrten oder für den Weg vom Büro zur U-Bahn, es geht also um Fahrtstrecken von bis zu zwei Kilometern. Hier sieht man eine Lücke, die man mit dem Verleih abdecken kann.

Bis man vielleicht in Graz, Linz oder Salzburg auf Lime-Scootern fahren kann, wird es in jedem Fall noch länger dauern. Laut Götz fokussiert sich das Unternehmen in Österreich derzeit ausschließlich auf den Start in Wien. Auch in weiteren größeren Städten Europas will man sich etablieren. (gpi, 13.9.2018)