Gut braucht Hut, heißt es: Daria Kornysheva mit Kopfbedeckung.


Foto: Regine Hendrich

Wien – Einige Tausend Kostüme hängen im hauseigenen Lager der Volksoper, ordentlich nach den laufenden Produktionen sortiert. Etliche Garderobenwagen tragen die Aufschrift "Csárdásfürstin" – jene Premiere, auf die in diesen Tagen noch emsig hingearbeitet wird. Schon ein flüchtiger Blick verrät, dass hier nicht nur einfach ein opulenter Ausstattungsschinken entsteht, der das Publikum pittoresk in die Handlung rund um die eigenwillige Sylva Varescu eintauchen lässt. Bunt und vielgestaltig sind die Outfits: Es gibt leuchtende Abendkleider neben neusachlichen geometrischen Mustern, matte Stoffe neben funkelnden Paillettenteilen.

Ungewöhnlich spontan und kreativ sei Daria Kornysheva bei ihrer Arbeit vorgegangen, ist aus dem Umfeld zu hören, sie habe sich etwa so reichlich im Fundus von Art For Art, dem Bundestheater-Ausstatter, bedient, dass gescherzt wurde, dort sei bald nichts mehr übrig. Sie habe die Fundstücke fantasiereich umgestaltet, über die ganze Probenzeit gebastelt und geändert, ja sogar selbst jenen Stoff eigenhändig kartoffelbedruckt, der auch das Werbeplakat ziert.

Bereits hier wird deutlich, dass eine selbstbewusste, ungewöhnliche Frau gezeigt werden soll: "Unsere Titelheldin ist modern, frei, unangepasst, schert sich nicht um gesellschaftliche Konventionen und ist ihrer Zeit deutlich voraus. Sie ist rebellisch, will aber trotzdem heiraten. Ein Mensch eben. Die Welt, in die sie hineinplatzt, steckt noch in den Konventionen der Jahrhundertwende, mit einer Ahnengalerie, die bis zu Kaiser Maximilian zurückreicht. Dementsprechend breitgefächert und unterschiedlich sind die Bilder, die die Kostüme ergeben", sagt Kornysheva.

Liebe zur Buntheit

Ihre Umtriebigkeit brachte die 1972 in Moskau geborene Kostüm- und Bühnenbildnerin, die zunächst 1990 bis 1995 die Theaterschule am Kunsttheater ihrer Heimatstadt besuchte, nach Deutschland, wo sie ihr Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie fortsetzte. Zunächst ein Kulturschock, wie sie sagt, "eine totale Katastrophe! In der Moskauer Theaterlandschaft war die Ästhetik nicht unbedingt staubig, aber jedenfalls immer üppig. In Deutschland standen in den 1990er-Jahren meistens Leute in Anzügen oder nackt auf einer leeren Bühne unter Leuchtstoffröhren. Da wurde damals alles, was ich konnte und liebte, überhaupt nicht gebraucht. Anfangs stand ich mit meiner Ideenwucht da wie ein Pfau im Hühnerstall."

Anpassung an diese Trends war für die Künstlerin keine Option. Sie fand und suchte Regisseure, die mit ihrem Hang zur Buntheit etwas anfangen konnten. Neben Ausflügen in den Film - The Forbidden Girl, Platonov, Die Florence Foster Jenkins Story - fand sie in den vergangenen Jahren Betätigungsfelder an so unterschiedlichen Häusern wie der Volksbühne Berlin und dem Tiroler Landestheater, einer langen Reihe deutscher Theater- und Opernhäuser, der innovativen Oper Graz – sowie an der Volksoper, einem Haus, das bekanntlich in den vergangenen Jahrzehnten einen wechselhaften Zickzackkurs zwischen Modernisierung und Traditionalismus hingelegt hatte.

Der seit 2007 amtierende Direktor Robert Meyer hat sich seither um frischen Wind bemüht und geht mitunter ein Wagnis bei der Regie und Ausstattung ein. Zuletzt gab es dafür reichlich Anerkennung: für Ralph Benatzkys Operette Axel an der Himmelstür, deren Leading Team 2018 den Musiktheaterpreis für die beste Ausstattung erhielt. Für die Kostüme verantwortlich war Kornysheva, Regie führte – wie nun bei der Csárdásfürstin – Peter Lund.

Zwang und Inspiration

Von Kornysheva ist zu erfahren, dass sie sich nicht wie manche Kollegen damit begnügt, Entwürfe zu liefern und dann erst zu den letzten Proben anzureisen, sondern dass sie die gesamte Vorbereitungszeit der Produktion begleitet: "Ich versuche grundsätzlich so eng wie möglich mit Regisseuren und Bühnenbildnern zusammenzuarbeiten. Deren Bedürfnisse und Ideen sind für mich Zwänge und Inspirationen zugleich. Wenn man nicht ständig kommuniziert und den Gedankengang und die Entwicklung der anderen verfolgt, lebt man sich in einer Produktion schnell auseinander. Wenn man sich hingegen nicht mehr erinnern kann, von wem wann welche Idee war, dann ist das ein gutes Zeichen." (Daniel Ender, 14.9.2018)