Franz und seine Tochter Christina Polster stellen in Mariasdorf Relais für die Rüstungsindustrie her: "Einblick" im Dorf.

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Wien – Das Dorf: unendliche Weiten, goldgelbes Getreide, so weit das Auge reicht. Irgendwo in der Ferne kräht ein Hahn. Doch das Glück ist eine Sache von Augenblicken, der Rest ist Warten. Ist der Maibaum am Sonntag umgeschnitten worden oder doch schon früher? Fragen über Fragen, die die Bewohner von Mariasdorf, einem Dorf im Südburgenland und Schauplatz der 35-minütigen Einblick-Ausgabe am Freitag um 21.20 Uhr auf ORF 2, stellen und sich selbst beantworten.

Blasmusik und Mutterwitze hörte Nina Horowitz Im Dorf. Mariasdorf verfügt über eine große gotische Kirche, ein weithin sichtbares Eisernes Kreuz als Heldendenkmal für die im Weltkrieg gefallenen Kameraden und zwei nachweisliche Marienerscheinungen.

Nicht einmal die Raiffeisenkasse ist noch da

Wie es hier aussieht, trifft für viele Gemeinden des Landes zu: 350 Einwohner zählt Mariasdorf, ungefähr 70 Prozent pendeln zu ihrem Arbeitsplatz. Früher gab es drei Wirtshäuser, dazu Fleischhauer, Schuster, Post, Raiffeisenkassa und Disco ("Little London"). Geblieben ist ein Wirt, ein Greißler, nicht einmal mehr die Bank ist noch da. Auch die Giebelkreuzler besetzen längst nicht mehr jede Kleingemeinde im Osten des Landes. Im Little London finden heute Singletreffs statt: Yes, Sir, I Can Boogie! Bei Franz Polster ist hingegen immer Weihnachten. Polster produziert Weihnachtsbeleuchtung und liefert – Hauptgeschäft – Komponenten an die Rüstungsindustrie. Stille Nacht.

Dieser stimmig eingefangene und montierte Einblick in eine seltsam entschleunigte Parallelwelt (Kamera: Gustl Gschwandtner, Schnitt: Nicole Scharang) entwickelt seine Kraft aus dem Spannungsverhältnis seiner Inhalte – Weihnachten/Rüstung; Kirche / Eisernes Kreuz – und erinnert damit in seinen besten Momenten an die Reportagen von Panorama, einer Reihe aus den 1970er-Jahren, in der sich Walter Pissecker unters Volk mischte – mit dem Anspruch, Bilder und O-Töne für sich sprechen zu lassen.

Zurücklehnen und zuschauen: Es geht um österreichische Identität, und wie so oft weiß man dann nicht, ob man lachen oder weinen soll. (prie, 14.9.2018)