Frauen treiben im Indischen Ozean, um schwimmen zu lernen. Anna Boyiazis wurde beim World Press Photo Award prämiert.

Foto: Anna Boyiazis

Die Fotoserie heißt "Finding Freedom in the Water".

Foto: Anna Boyiazis

Sie sehen aus, als würden sie im Wasser schweben und mit ihren gelben Ganzkörperanzügen Teil einer geheimnisvollen Prozession oder eines religiösen Rituals sein: die Frauen und Mädchen von Sansibar, die US-Fotografin Anna Boyiazis auf ihren Bildern festgehalten hat. Sie recken ihr Gesicht aus dem Wasser, wirken dabei wie Leichen, sind in Wirklichkeit aber hochkonzentrierte Schülerinnen, die erst jetzt lernen, was sie mit ihrem Alter schon längst können sollten: schwimmen.

Der Grund ist Religion. Bis vor wenigen Jahren war es in der patriarchalen, vom Islam dominierten ostafrikanischen Inselgruppe Sansibar ein Tabu, dass Frauen schwimmen lernen – bis der Burkini kam. Der Ganzkörperanzug ermöglicht es ihnen, das Schwimmen in Einklang mit ihrem islamischen Glauben zu bringen, denn: Freizügige Kleidung ist verboten. Auch im Indischen Ozean.

Anna Boyiazis hat das Bröckeln dieser gesellschaftlichen Konvention mit ihrer Kamera begleitet und wurde für ihre Serie Finding Freedom in the Water beim diesjährigen World Press Photo Award in der Kategorie "Menschen" ausgezeichnet. Die Ausstellung zum weltweit wichtigsten Fotopreis gastiert ab Freitag in Wien. Zu sehen sind alle Siegerfotos bis 21. Oktober in der Galerie Westlicht im siebenten Gemeindebezirk.

Vertrauen aufbauen

"Es war sehr schwer, einen Zugang zu den Frauen zu finden", erzählt die Fotografin im Gespräch mit dem STANDARD, wie sie zu den Aufnahmen kam. "Als ich das erste Mal Sansibar besucht habe, wurde mir gesagt, dass Frauen nicht schwimmen." Später habe sie erfahren, dass es eine NGO namens Panje Project gebe, die dank neuer Ganzkörperanzüge Schwimmkurse für Frauen anbietet. Nachdem die Kontaktaufnahme per Mail nicht geklappt hat, ist Boyiazis vor rund zwei Jahren hingeflogen: "Ich wollte mich persönlich vorstellen und meine Intention erklären."

Zugang zu der Community zu bekommen sei ein wochenlanger Prozess gewesen. Auf der einen Seite war die Skepsis, zum skurrilen Fotoobjekt degradiert zu werden, auf der anderen Seite die Sprachbarriere, die den Kontakt erschwerte. Boyiazis spricht kaum Swahili. Es gelang ihr dennoch, alle Beteiligten zu überzeugen. Das Resultat sind beeindruckende Fotos, die ein Spiegelbild gesellschaftlichen Wandels sind. "Erziehung im und außerhalb des Wassers hilft den Frauen, ihre Rechte einzufordern und existierende Barrieren zu durchbrechen", sagt Boyiazis. Frauen würden das Erlernte an andere weitergeben. Boyiazis Fotos erschienen im National Geographic.

Foto: Ronaldo Schemidt/Agence France-Presse

Zum World Press Photo des Jahres kürte die Jury ein Bild des Agence-France-Presse-Fotografen Ronaldo Schemidt, das in Venezuela entstanden ist. Zu sehen ist ein brennender Mann, der durch die Straßen von Caracas rennt. (Oliver Mark, 13.9.2018)