Laibach frohlocken über die saftigen grünen Wiesen der Alpen. Kommenden Donnerstag präsentiert die Band beim Steirischen Herbst in Graz ihre Version von "The Sound of Music".

Volksfronten steirischer herbst 2018 / Metastazis

Laibach führt kommende Woche beim Steirischen Herbst ihre Version von The Sound Of Music auf. Es basiert auf dem Bühnenmusical von 1959 sowie der Hollywood-Verfilmung aus den 1960ern. Teile des Programms hat das 1980 gegründete Kollektiv 2015 in Nordkorea aufgeführt. Ende nächster Woche erscheint zudem das ebenso betitelte Album der Formation.

Laibach sorgen wegen ihres Einsatzes von faschistischer Ästhetik und totalitärer Codes bis heute für Irritation. Der slowenische Aurtor Slavoj Žižek nannte ihre Arbeit einmal einen "Flirt mit der obszönen Dimension des Faschismus". Laibach überhöhen unbarmherzig, mit martialischem Getöse und der Grundelstimme des Sängers Milan Fras. Ihr Prinzip lautet affirmative Überidentifizierung.

Ausschnitt aus Laibachs "The Sound of Music".
Mute

Bis heute provozieren sie mit ihrer Themensetzung Missverständnisse, die oft in einen hilflosen Faschismusvorwurf münden. Dem entgegnet die fünfköpfige Gruppe: " Wir sind so sehr Faschisten, wie Hitler ein Maler war". Nächsten Donnerstag treten Laibach ab 21.00 Uhr auf der Grazer Schlossbergbühne Kasematten auf.

STANDARD: Der Film The Sound of Music ist vor allem außerhalb Österreichs berühmt, hierzulande berührt er eher peinlich. Wie sehr reflektiert er die österreichische Wirklichkeit aus Ihrer Sicht?

Laibach: Wir wissen, dass Österreicher den Film hassen, weil sie denken, er rücke ihr Land in ein seltsames Licht. Aber Leute wie Fritzl (das negative Pendant des Trapp-Vaters), Sigmund Freud (Trapps Analytiker) oder Bundeskanzler Kurz (Trapps geheimes Kind?) sowie ihre Außenministerin Karin Kneissl (eine zeitgenössische Maria Trapp) oder der beliebte Nationalist Jörg Haider geben Grund zur Annahme, dass The Sound Of Music das Land nicht ganz falsch abbildet. Nicht zu vergessen den "fanatischen Österreicher" Adolf Hitler.

STANDARD: Der Film erzählt die Geschichte der Familie Trapp. Sie flieht, und in Übersee wird sie mit einem Klischee über Österreich berühmt. Dem Bild eines Landes, in dem alle in Trachten singend und jodelnd über die Alpen tanzen. Erfolgsstory oder perfide Rache?

Laibach: Natürlich idealisiert der Film den Begriff Heimat, aber es ist schwer zu leugnen, dass Österreich ein Land ist, in dem gesunde fröhliche Menschen jederzeit singend über die grünen Wiesen der Alpen tanzen.

STANDARD: Emigranten, die in ihrer neuen Heimat ein positives Bild ihrer Herkunft erschaffen, das scheint es heute nur noch in Märchen zu geben.

Laibach: Es ist ein Unterschied, ob man als österreichischer Auswanderer vor dem Zweiten Weltkrieg in die USA kam oder ob man heute ein Emigrant aus Syrien, Afghanistan oder Libyen ist, der nach Europa will. Europäische Emigranten waren damals im Vergleich zu jenen aus dem Mittleren Osten heute privilegiert. Europa behandelt diese Menschen wirklich nicht gut.

STANDARD: Die Familie ist das kleinstmögliche Kollektiv, Laibach arbeitet als ein solches. War die Trapp-Familie ein Vorbild?

Laibach: In einem gewissen Ausmaß schon. Vielleicht hätte es Laibach ohne Sound of Music nicht gegeben. Als Kinder sahen wir den Film sehr oft. Er formte unser Universum – wir wollten alle Trapps sein, Uniformen tragen und das Bett mit Maria teilen. Sie waren die perfekte Kernfamilie.

STANDARD: Der Film suggeriert eine glückliche Kindheit – hat er Ihre schöner gemacht?

Laibach: Manche Interpretationen sehen den Film als elegante bis kitschige Version der Familie Fritzl. Mit einem Vater, der seine Version von Familie bis zur Zerstörung übertrieben hat. Glücklicherweise ist uns das nicht passiert.

STANDARD: Der Film wird in den USA und Nordkorea gleichermaßen geliebt. Droht uns ein Weltfrieden in Lederhose und Dirndl?

Laibach: Lieber das als die Angst vor einer Armee, deren Uniformen Hugo Boss, Christian Dior oder Louis Vuitton entwerfen.

STANDARD: Sie haben manche Songs bei ihrem Auftritt 2015 in Nordkorea gespielt. Warum ist der Film so populär in Nordkorea?

Laibach: Wahrscheinlich weil er koreanischen Heimatfilmen sehr ähnlich ist und Kim Jong Il ein großer Filmfreund war. Er sah sich wohl als eine Art Trapp-Vater für sein Land.

STANDARD: Die Österreichpremiere von The Sound of Music findet in Graz statt. Von dort kommen Opus, deren Hit Live is Life Laibach gecovert hat. Haben Sie die Band je getroffen und erfahren, was sie über Ihre Version denkt?

Laibach: Ja, wir haben Ewald Pfleger letztes Jahr Backstage bei Depeche Mode kennengelernt. Er sagte, er habe unsere Version immer sehr gemocht – und sein Sohn sei Laibach Fan. (Karl Fluch, 15.9.2018)