2008 wagte Damien Hirst ein sprichwörtliches Tänzchen vor "seinem" Götzenbild, einem in Formaldehyd konservierten Kalb.

Foto: © Damien Hirst and Science Ltd. All rights reserved / Bildrecht, Wien 2018

Der 15. September 2008 war auch auf der Bühne des internationalen Kunstmarktes kein Tag wie jeder andere. Damals stand bei Sotheby's in London eine ungewöhnliche Auktion auf dem Programm. Denn die zur Versteigerung gelangenden Kunstwerke kamen nicht wie üblich aus dem Besitz privater Verkäufer, sondern waren direkt aus dem Atelier Damien Hirsts angeliefert worden. Damit waren die Grenzen zwischen dem sonst von Galerien bestellten Primär- und dem von Auktionshäusern bewirtschafteten Sekundärmarkt erstmals in dieser Dimension aufgehoben. Ein Regelbruch, den manche als schamlos und andere als gelungenen Coup bezeichneten.

223 Werke des britischen Künstlers sollten etwa 98 Millionen Pfund einspielen, allein für The Golden Calf, ein in Formaldehyd konservierter Jungstier, lagen die Erwartungen bei zwölf Millionen. Das biblisch überlieferte Götzenbild war die Hauptattraktion, und der darum abgehaltene Tanz symbolisierte die Verehrung von Reichtum und Macht des Marktes.

Hohe Nervosität

"Too big to fail", lautete also auch bei Sotheby's die Devise. Hinter den Kulissen herrschte etwas mehr Nervosität als sonst. Die Meldungen zur Insolvenz der US-Bank Lehman Brothers verhießen nichts Gutes. Der drohende Zusammenbruch der globalen Finanzmärkte würde, so die realistische Annahme, potenten Klienten die Kauflaune verderben.

Während Damien Hirst den Abend mit seinem Buddy Ronnie O'Sullivan in einem Snookerklub verbrachte, leisteten seine Galeristen Jay Jopling und Larry Gagosian im Auktionssaal Pannenhilfe. Wie im Vorfeld angekündigt, lüpften sie eifrig ihre Bietertäfelchen, um einen Wertverfall der Hirst-Aktie zu verhindern.

Stützungskäufe von Galeristen

Wie viele Stützungskäufe die Galeristen damals tätigten, ist bis heute ein gut gehütetes Geheimnis. Der Zweck heiligte die Mittel allerdings nur kurzfristig. Der erzielte Umsatz lag offiziell bei 111,46 Millionen Pfund (200,75 Mio. Dollar), und das güldene Kalb hatte sich, wenngleich unter den Erwartungen, den Rekordzuschlag (10,34 Mio. Pfund) geholt.

Von der Lehman-Pleite blieb auch der Kunstmarkt nicht verschont. Die Jahre davor waren von einem enormen Wachstum geprägt gewesen. Zwischen 2003 und 2007 hatte sich das weltweit gehandelte Wertvolumen auf 65,87 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. So vielversprechend das Geschäftsjahr 2008 angelaufen war, das zweite Halbjahr hinkte deutlich hinterher.

Die dicke Keule kam 2009 und traf vor allem die Auktionsbranche, deren Umsätze sich in den ersten sechs Monaten im Vergleich zu den Vorjahren halbierten. Eines der größten Probleme lauerte an der Akquisitionsfront und besonders im Hochpreissegment: Denn wer nicht muss, der verkauft in Krisenzeiten nicht.

Geschrumpfter Umsatz

Nach zwölf Monaten lag der weltweit erwirtschaftete Umsatz bei 39,5 Milliarden Dollar und war im Vergleich zu 2007 um 40 Prozent geschrumpft. Die klassischen Sammler waren der Branche weitestgehend erhalten geblieben, die Klientel gewinnorientierter Investoren hatte sich dagegen rasant dezimiert. Dies führte zu harschen Preiskorrekturen, ganz besonders im überhitzten Segment zeitgenössischer Kunst.

Das bekam auch der Masseverwalter von Lehman Brothers zu spüren: Die angeordnete Versteigerung der firmeneigenen Kunstsammlung verlief deutlich weniger lukrativ, als der Buchwert hätte vermuten lassen. Im selben Zeitraum sollte fast die Hälfte der noch 2008 global aktiven Kunstfonds scheitern.

Flotte Erholung

Die Rekonvaleszenz des Kunstmarktes verlief dennoch vergleichsweise flott: dank nachrückender Käufergenerationen und stark anwachsender Nachfrage in Asien, vor allem in China. Mittlerweile hat sich der Markt komplett erholt. Neun der zehn höchsten jemals erzielten Auktionszuschläge stammen aus der Post-Lehman-Pleite-Ära, angeführt von Leonardo da Vincis 450 Millionen Dollar teurem Salvator Mundi. Das seit 2009 weltweit verzeichnete Wachstum beziffern Kunstmarktökonomen mit gut 61 Prozent, der Umsatz lag im Jahr 2017 bei 63,74 Milliarden Dollar.

So weit zur globalen Lage. Einzig für Damien Hirst verlief die vergangene Dekade eher mau. An sein Superjahr 2008 konnte er nie wieder anknüpfen: Bei Auktionen rasselten die Jahresumsätze von 231 Millionen Dollar zuletzt auf das Niveau von 2004 (25 Mio. Dollar). Die Rekordmaschine steht also seit dem 15. September 2008 still, und der Wert seiner Aktie hat sich halbiert. (Olga Kronsteiner, 13.9.2018)