Posthum entdeckte frühe Zeichnungen von Gustav Metzger gelangen nun auf den Kunstmarkt. Der Künstler selbst hat gegen den Warencharakter von Kunst gearbeitet.


Foto: Galerie Christine König, Wien

Es waren entfernte Verwandte, die die Zeichnungen von Gustav Metzger auf ihrem Dachboden wiederentdeckten. Die zarten Blätter – vermutlich Anfang der 1950er entstanden – sind weder signiert noch datiert. Das verwundert im Hinblick auf Metzger nicht. Schließlich war der 2017 verstorbene Künstler zeitlebens um die Auflösung des klassischen Werkbegriffs bemüht.

Dass es ihm nie um das Werk, sondern immer um Politisches ging, hängt eng mit seiner Biografie zusammen: Als Sohn orthodoxer Juden 1929 in Nürnberg geboren, kam er 1939 mit einem der Kindertransporte nach London. Seine Eltern wurden im KZ ermordet.

Von Anfang an hat Metzger sich mit der Tötungsmaschinerie der Nazis und der Darstellbarkeit ihrer Gräueltaten beschäftigt: 2005 zeigte die Wiener Generali Foundation etwa seine Installation To Crawl Into – Anschluss, Wien, März 1938. Über ein stark vergrößertes Foto, das zum Straßenwaschen genötigte Juden zeigt, hatte er Stoff gebreitet. Nur wer bereit war, auf den Knien unter die Abdeckung zu kriechen, konnte das Bild betrachten.

Manifest zur "autodestruktiven Kunst"

Stets forderte Gustav Metzger das Publikum heraus: Vor dem Hintergrund seines gesellschafts- und umweltpolitischen Engagements schrieb er bereits 1959 das Manifest zur "autodestruktiven Kunst": Um die Kunst von ihrem Warencharakter zu befreien, tränkte er Nylon mit Säure, damit es sich irgendwann auflöst.

1966 lud Metzger zum legendären "Art Destruction Symposium" in London ein, an dem auch die Wiener Aktionisten teilnahmen. Beim Knüpfen internationaler Netzwerke ging es ihm darum, Lösungen für anstehende globale Probleme zu finden: Er war in der Friedensbewegung aktiv und engagierte sich in einer Künstlergewerkschaft. Umweltverschmutzung war ihm künstlerisches Thema: Die drastischen Folgen für die Welt führte er in Mobbile (1972) vor; er leitete Auspuffgase so lange in einen Behälter mit einer Pflanze, bis diese einging.

Zeitungsschnipsel

Von traditionellen Kunstformen entfernte sich Metzger zunehmend: Davon erzählt bei Koenig 2 nun eine Arbeit, die er 2015 in der Galerie Christine König initiierte. Das Publikum sollte Zeitungsartikel ausschneiden. Danach kamen sie in eine Box, die – so das Konzept – drei Jahre später wieder geöffnet wurde: Zutage kamen Schnipsel zu Berlusconi, Assad, Al-Kaida und Depardieu. Erstaunlich ist aus heutiger Sicht viel mehr das, was im Juni 2015 noch fehlte: Die Bilder von Flüchtlingen; sie begannen erst im September, medial zu dominieren.

Gustav Metzger hätte es sicher gefallen, dass seine zurückgenommenen zeichnerischen Abstraktionen nun solch massenmediale Aufgeregtheiten konterkarieren. Dass man die Blätter entdeckte, ist erfreulich. Trotzdem muss man sich fragen, ob die posthume Einführung der Serie in den Kunstmarkt wirklich in seinem Sinne gewesen wäre. (Christa Benzer, 20.9.2018)