Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und Matteo Salvini, Italiens Innenminister, am zweiten Tag des Innenministertreffens in Wien.

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Wien – In der Debatte über die Machbarkeit von Asylcamps in Afrika hat sich Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) dafür ausgesprochen, die Schutzwürdigkeit von Asylbewerbern künftig bereits auf jenen Schiffen zu prüfen, die sie aus dem Mittelmeer gerettet haben. "Das hat nebenher den Vorteil, dass die Schiffe für weitere Schleppereien aus dem Verkehr gezogen werden", sagte Kickl am Freitag in Wien.

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Der Innenminister äußerte sich bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem italienischen Amtskollegen Matteo Salvini am Rande einer EU-Afrika-Konferenz. Sein Vorschlag sei, "dass man die Schiffe gleich benutzt, um die Überprüfungen auf Schutzbedürftigkeit durchzuführen", sagte Kickl. Salvini distanzierte sich scherzhaft von der Idee. Man sollte die Migranten nicht auf den Schiffen kontrollieren, denn: "Da könnte man angeklagt werden, dass man die Personen gefangen hält."

Lob für Vorschläge der EU-Kommission

Zuvor hatte sich Kickl in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos positiv über dessen jüngste Vorschläge zur EU-Asylpolitik geäußert. "Ich bin sehr froh über die Stoßrichtung, die eingeschlagen wurde", sagte Kickl.

"Danke für Deine Unterstützung, Herbert", reagierte der griechische Politiker, der wenige Stunden zuvor öffentlich von Kickl kritisiert worden war. Der amtierende EU-Ratsvorsitzende hatte dem Kommissar vorgeworfen, in der Angelegenheit der geplanten Ausschiffungs- und Anlandeplattformen in Afrika "die Flinte ins Korn" zu werfen.

Unterschiedliche Einschätzungen

In dieser Frage ließen die beiden Politiker aber weiterhin unterschiedliche Einschätzungen erkennen. Während Avramopoulos neuerlich sagte, dass noch kein afrikanisches Land seine Bereitschaft für Migrantencamps erklärt habe, betonte Kickl: "Es gibt keine Absagen. Sehen wir das einmal so." Er sei "überrascht über die Ungeduld, die hier herrscht", verwies der Innenminister neuerlich darauf, dass der Plan erst vor zwei Monaten beschlossen worden sei. Wenn man sich vor Augen halte, dass schon seit dem Jahr 1999 über ein gemeinsames europäisches Asylsystem diskutiert werde, "dann sind zwei Monate nichts dagegen".

Kickl betonte, dass es darum gehe, "das eine oder andere Missverständnis auszuräumen". So wollten die EU-Staaten keine Territorialansprüche stellen. Ziel sei es aber, die betroffenen Länder zu unterstützen, die wiederum "eine Kettenreaktion in Gang setzen, wie wir es auch im Bereich des Westbalkan geschafft haben", hob der FPÖ-Politiker mehrmals die Kooperation mit den Staaten der Region als Vorbild für die künftige EU-Afrika-Politik hervor.

Keine Zu- und keine Absagen zu Flüchtlingslagern

"Ich bin guter Dinge, dass wir hier auf den berühmten grünen Zweig kommen", zeigte sich Kickl ermutigt von dem "breiten" und "offenen" Dialog bei dem EU-Afrika-Treffen. "Wenn wir es anders sehen, müssen wir die weiße Flagge aushängen. Das würde bedeuten, dass wir vor der internationalen Schlepperkriminalität kapitulieren". Mittel- und langfristig gehe es darum, "dass wir nur diejenigen auf europäischen Boden bringen, wo wir festgestellt haben, dass der Schutz besteht", bekräftigte Kickl das umstrittene Konzept, wonach kein Asylantrag in der EU mehr gestellt werden dürfe.

"Niemand hat Nein gesagt, aber bisher hat auch niemand Ja gesagt", bekräftigte Avramopoulos seine Skepsis gegenüber der Errichtung von Flüchtlingslagern in Afrika. "Plattformen sind unmöglich, aber Kooperation ist natürlich möglich", sagte er. Avramopoulos hob in seinem Beitrag auch die Notwendigkeit hervor, legale Migrationswege zu öffnen und die Wirtschaft in Afrika zu stärken. Es dürfe nicht zu einem "Outsourcing" in der Migrationsfrage kommen, betonte er.

"Wir müssen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit schaffen, weil wir letztlich alle im selben Boot sind", unterstrich Avramopoulos. Die vom EU-Ratsvorsitz veranstaltete Konferenz lobte er als "sehr wichtig". Auch Kickl sagte, dass die Kooperation mit Drittstaaten essenziell für die Lösung der Migrationsfrage sei. "Es ist illusorisch, davon auszugehen, dass wir die Migrationsfrage in ein gutes Fahrwasser bringen können, wenn es uns nicht gelingt, mit den Drittstaaten auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen", so Kickl.

Schlagabtausch zwischen Asselborn und Salvini

Am Rande des Treffens gab es ein heftiges Wortgefecht zwischen Salvini und Jean Asselborn, Innenminister Luxemburgs.

Salvini sagte, dass er eine "ganz andere Weltsicht" als Asselborn habe. "Ich arbeite lieber dafür, dass die italienischen und europäischen Jugendlichen mehr Kinder in die Welt setzen, weil ich keine neuen Sklaven will." Nachsatz: "Wenn ihr in Luxemburg neue Migration braucht – in Italien helfe ich lieber den Italienern, dass sie wieder Kinder machen."

Asselborn geriet ob dieses Seitenhiebs in Rage und unterbrach Salvini. Er wies darauf hin, dass in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche italienische Migranten nach Luxemburg gekommen sind, "weil ihr nicht für eure Kinder sorgen konntet in Italien". Daraufhin warf der Politiker seinen Kopfhörer auf den Konferenztisch und rief: "Merde alors" (Scheiße noch einmal). Dem anschließenden Familienfoto blieb Asselborn fern, während sich Salvini in die Mitte zwischen Kickl und Avramopoulos stellte.

Salvini verbreitete einen Mitschnitt des Wortgefechts, das bei einer Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hatte, auf seinem Facebook-Account, versehen mit dem sarkastischen Kommentar, Asselborn sei seine Antwort offenbar "nicht gut bekommen". "Er hat begonnen, mich zu beschimpfen!!!"

Das Wortgefecht wirft ein Schlaglicht auf die tiefen Gräben, die es in der Migrationsfrage zwischen den EU-Staaten gibt. Salvini selbst hatte in seiner Wortmeldung die mangelnde Solidarität anderer Mitgliedstaaten beklagt. So habe er im Fall eines Flüchtlingsschiffs zehnmal versucht, Kontakt mit Malta aufzunehmen. "Die Antwort: Null. Null." Dagegen gebe es "einige Drittstaaten – ich sehe hier den albanischen Kollegen –, die sehr schnell und effizient auf die Hilfsersuchen Italiens reagieren".

Salvini verteidigte seine Linie in der Migrationspolitik und wies darauf hin, dass sieben von zehn Asylanträgen in seinem Land abgelehnt werden. Italien habe damit hohe Kosten für Migranten, die keinen Anspruch auf Asyl hätten. Rom forderte, dass die EU künftig in jeden Handelsvertrag mit einem Drittstaat Klauseln über die Rückführung von Migranten aufnehme. (APA, red, 14.9.2018)