Kigali – Nach Jahren im Gefängnis ist die ruandische Oppositionsführerin Victoire Ingabire am Samstag überraschend freigekommen. Ingabire profitierte ebenso wie mehr als 2.000 weitere Häftlinge von einem Gnadenerlass von Präsident Paul Kagame.

Ingabire dankte dem Präsidenten für ihre "Befreiung" und kündigte an, sich umgehend politisch einzumischen: "Das ist der Anfang der Öffnung des politischen Raums in Ruanda, wie ich hoffe", sagte die Hutu-Politikerin. Sie rief zur Freilassung weiterer politischer Gefangener auf.

Insgesamt kamen durch den bei einer Kabinettssitzung am Freitag gebilligten Gnadenerlass 2.140 Gefangene frei, darunter auch der Musiker Kizito Mihigo, der 2015 wegen des Vorwurfs der Konspiration zur Ermordung des Präsidenten zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war.

Zehn Jahre Haft

Ingabire war 2012 zunächst zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden, in einem Berufungsprozess erhöhte das Oberste Gericht die Haftzeit dann um fünf weitere Jahre. Der Vorwurf lautete auf Verbreitung von "Genozid-Ideologie" und "Spaltung", nachdem Ingabire öffentlich die Regierungsversion zum Völkermord von 1994 in Ruanda, dem vor allem Tutsi zum Opfer gefallen waren, angezweifelt hatte.

Ingabire war Anfang 2010 aus dem Exil in den Niederlanden zurückgekehrt, um bei der Präsidentschaftswahl im selben Jahr für die FDU-Inkingi-Partei anzutreten. Bereits im April 2010 wurde sie festgenommen.

Im vergangenen November urteilte der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte und die Rechte der Völker im tansanischen Arusha, dass Ruanda Ingabires Recht auf freie Meinungsäußerung und eine ordnungsgemäße Verteidigung vor Gericht verletzt habe. Die ruandische Regierung ignorierte jedoch das Urteil und die damit verbundene Forderung nach einem neuen Prozess.

Kagames Herrschaft

Kagame dominiert Ruandas Politik, seit er 1994 als 36-Jähriger mit seiner Rebellengruppe Patriotische Front Ruandas (FPR) die Regierung aus Hutu-Extremisten stürzte. Damit trug er dazu bei, den Völkermord an bis zu einer Million Angehörigen der Tutsi-Minderheit und gemäßigten Hutu zu beenden. Zunächst wurde der Tutsi Kagame Vizepräsident und Verteidigungsminister. Im Jahr 2000 wurde er erstmals zum Staatschef gewählt.

Kritiker nennen Ruanda, dessen Staatschef immer wieder auf die wirtschaftlichen Erfolge und die erfolgreiche Bekämpfung der Korruption verweist, eine Scheindemokratie. Kagame hatte sich 2015 in einem Referendum – ebenfalls mit überwältigender Mehrheit – die Zustimmung der Bevölkerung für weitere Amtszeiten gesichert. Theoretisch könnte er Ruanda über seine dritte Amtszeit hinaus bis zum Jahr 2034 regieren. (APA, 15.9.2018)