Mit der nächsten Mobilfunkgeneration wachsen nicht nur die Sendemasten in den Himmel, sondern auch die Netzerrichtungskosten.

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Wien – Die Telekomnetzbetreiber sind zur Aufrüstung ihrer Mobilfunknetze auf die nächste Generation 5G quasi verdammt. Diesen Schluss legt eine Analyse des Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG) nahe.

Der Grund: Der Bedarf an Datenvolumen steigt und werde mit dem derzeit verwendeten 4G-Standard (LTE; in Österreich 2012 eingeführt) bald an sein Ende kommen, heißt es in der Studie, die dem STANDARD vorliegt. Laut den BCG-Modellrechnungen steigt nicht nur die Zahl der Nutzer, sondern vor allem der Datenverbrauch in Ballungsräumen wie Berlin, Mailand oder Paris in den nächsten sieben Jahren rapide. Und zwar von derzeit im Schnitt ein bis zwei Gigabyte (GB) pro Nutzer und Monat auf sechs bis sieben im Jahr 2021.

Im Jahr 2025 könnte der Bedarf an Bandbreite bereits Richtung 30 GB gehen. Nordamerika ist schon weiter, der Verbrauch pro Anwender wird dort aktuell mit fünf bis sechs GB angenommen. Das sei mit der aktuell verwendeten LTE-Technologie nicht mehr zu bewältigen, zumindest nicht zu akzeptablen Kosten, so die Prognose.

Viel und schnell

Getrieben wird der Verbrauch da wie dort von Bandbreite verschlingenden Anwendungen wie Videos, Virtual Reality und damit verbunden steigenden Erwartungen an Übertragungsgeschwindigkeit und Netzabdeckung. Dieses Wachstum sei mit 4G/LTE nicht mehr zu bewältigen oder nur zu unverhältnismäßig hohen Kosten, warnt BCG. Es müsste eine massive Verdichtung der 4G-Netzinfrastruktur vorgenommen werden.

Die fünfte Mobilfunkgeneration, deren Funkfrequenzen in den nächsten Wochen und Monaten versteigert werden, wird diesbezüglich als Wunderwaffe beschrieben. Wohl seien die Investitionskosten hoch – sie könnten von teuren Frequenznutzungsgebühren (meist in Auktionen ermittelt) zusätzlich in die Höhe getrieben werden – die jährlichen Ausgaben für den Netzbetrieb allerdings würden bei 5G um bis zu 50 Prozent niedriger sein, sagen die BCG-Experten. Auch bei der Leistungsstärke liege 5G klar vorn.

Abwarten hilft nicht

Abzuwarten und an der 4G-Netzarchitektur festzuhalten, scheint diesbezüglich keine vielversprechende Alternative zu sein. In dem Fall sei mit einer Verdreifachung der Kosten von 2020 bis 2025 zu rechnen, rechnet BCG-Studienautor Heinz Bernold vor. Bei Migration auf die 5G-Technologie hingegen würden die Netzwerkkosten pro GB bis 2025 um über 90 Prozent sinken.

Allein: Der Margendruck in der Telekombranche ist hoch, die Umsätze gehen seit Jahren zurück, die Netzbetreiber stehen unter Druck. Es fehle gewissermaßen am Investitionswillen, attestiert BCG.

MIt gutem Grund: Die Investitionen in 5G sind anfangs sehr hoch und es ist nicht klar, ob und wann sich die investierten Millionen zurückverdienen lassen. Das liegt wohl auch an den Flat-Rates, den monatlichen Fixentgelten, mit denen sich die Investitionen in den steigenden Datenverbrauch kaum mehr monetarisieren lassen. "An der Preisschraube nach oben drehen allein wird nicht ausreichen", sagt Studienautor Bernold. Eine Stabilisierung respektive leichte Erholung würde allerdings schon helfen, sofern auch andere Hebel genutzt werden, etwa regulatorische Maßnahmen.

HIlfe vom Staat

Die Boston-Consulter empfehlen als Hilfestellung auch eine Kooperation zwischen Netzbetreibern, Regulator und Regierung: Der Staat sollte Netzinfrastruktur bereitstellen, etwa Gebäude und Grundstücke für Funkmasten, von denen es bei 5G deutlich mehr braucht als bisher. Auch Network-Sharing sollte erlaubt werden, damit sich Betreiber Equipment teilen können, zumindest in der Aufbauphase.

Eine erlösmaximierende Versteigerung der Funkkonzessionen gilt in der Branche selbstredend als Investitionsbremse schlechthin. Als Alternative bevorzugt man Auflagen wie Geschwindigkeit beim Netzausbau oder höhere Coverage, kurzum: leistbare Konditionen.

Effizientere Frequenznutzung

Auch die Erweiterung des Frequenzspektrums könne helfen, rät BCG. Denn mit 5G wird es (technisch) möglich sein, viel mehr Spektrum als mit 4G zu nutzen und damit viel mehr Speed und Kapazität bereit zu stellen – vergleichbar etwa mit einer fünfspurigen Autobahn gegenüber einer Bundessstraße. Das würde die Digitalisierung in der Industrie, Stichwort Industrie 4.0, erleichtern und wäre damit für den Wirtschaftsstandort von Vorteil. Für einige der empfohlenen Maßnahmen bräuchte es freilich eine Änderung des Wettbewerbsregimes in der EU, das seit Jahren vor allem auf niedrige Preise für Konsumenten fokussiert ist und weniger auf eine digitale Frontposition der europäischen Telekombetreiber im globalen Wettbewerb mit den USA und Asien. (Luise Ungerboeck, 17.9.2018)