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Präsident Emmanuel Macron und Unterrichtsminister Michel Blaquer wollen Arabisch an staatlichen Schulen lehren lassen, damit Lernwillige nicht an Islamisten geraten.

Foto: Reuters / AFP

Michel Blanquer wusste, dass er in ein Wespennest stechen würde. Der seriöse, eher konservative Bildungsminister Frankreichs sagte diese Woche vorsichtig, das Arabische sei eine "prestigereiche literarische Zivilisationssprache". Daher müsse es an französischen Schulen künftig so wie Russisch oder Chinesisch gefördert werden – am besten schon bei den ganz Kleinen. Das soll Teil einer größeren Offensive sein: Blanquer will auch das öffentliche Fernsehen bitten, Kurse in Arabisch zu senden.

Das alles wäre eine Zeitenwende. Denn auch wenn in Frankreich rund fünf Millionen Maghrebiner leben, fristet das Arabische an den Schulen bisher ein Schattendasein. Es wird seit 1977 angeboten, aber von außenstehenden, meist ausländischen Kräften gelehrt, die von Ländern wie Marokko oder Tunesien gestellt werden.

Nicht Islamisten überlassen

Die Idee war es einst, Kindern von immigrierten Saisonarbeitern die Rückkehr in ihr Herkunftsland zu erleichtern. Heute ist dieses Motiv nicht mehr aktuell. An den Volksschulen lernen nur noch 567 Kinder Arabisch, an den Mittelschulen 11.200, was bloß 0,2 Prozent der Schulpflichtigen entspricht.

Blanquer meinte in dem Radiointerview diplomatisch, er wolle den Arabischunterricht auch entwickeln, um "dem Missbrauch durch einzelne Gemeinschaften" vorzubeugen. Klarer ausgedrückt wurde das zuvor in einem Bericht des liberalen Institutes Montaigne: Es regt die Verstärkung öffentlichen Arabischunterrichts an, "weil Arabischstunden für Islamisten zum Mittel geworden sind, Jugendliche in ihre Moscheen zu locken". Ferner sei es auch wichtig, dass Frankreich mit seinen Beziehungen zur arabischen Welt Geschäftsleuten Sprachkenntnisse vermittle, schreibt der Thinktank, auf den sich Blanquer bezog.

Islamismus an den Schulen?

So unpräzise die Ankündigung des Ministers war, bewirkte sie in Paris doch umgehend einen Entrüstungssturm. Die Regierung von Präsident Emmanuel Macron wolle Volksschülern Arabisch beibringen, statt sie korrektes Französisch zu lehren, monierte Laurence Sailliet von den konservativen Republikanern. Ihr Parteifreund, Ex-Bildungsminister Luc Ferry, fragte voller Sarkasmus, ob es darum gehe, "den Islamismus zu bekämpfen – oder ihn im Gegenteil an die Schule zu holen". Einschlägige Websites fürchten gar die "große Ablösung" des "christlichen Kontinentes" durch die muslimische Einwanderung – mit Bezug auf diesen Ausdruck aus dem rechtsextremen Vokabular.

Eine solche Sicht der Dinge beruhe eher auf Ängsten als auf Fakten, entgegnete der Ex-Chefredakteur der linken Libération, Laurent Joffrin: "In Wirklichkeit findet keine Arabisierung Frankreichs statt, sondern eine Franzisierung der Araber." Denn die meisten maghrebstämmigen Familien verzichteten auf Arabischunterricht und seien erpicht darauf, dass ihre Sprösslinge gutes Französisch lernten.

Zuspruch in Privatschulen

Tatsache ist aber auch, dass der Arabischunterricht in französischen Moscheen und Privatschulen immer mehr Zuspruch erfährt. "Die Eltern ziehen es vor, dass ihre Kinder die Sprache des Koran von einem Imam lernen, nicht das Hocharabische an einer republikanischen Schule", bedauerte die Geschichts- und Geografielehrerin Barbara Lefebvre. Die Moscheen seien zwar meist nicht islamistisch ausgerichtet, sondern im Gegenteil dem klassischen Islam verpflichtet, der von den Salafisten bekämpft werde. Hingegen zeuge es aber von einem Versagen der Staatsschule, wenn immer mehr Einwandererfamilien auf deren Sprachangebote verzichteten.

Blanquer räumte ein, dass sich der Arabischunterricht in Frankreich "entwickeln" müsse. Deutlich wurde er gegenüber seinen Kritikern: "Ich habe nie gesagt, dass das Arabische verpflichtend sein sollte. Aber wir haben Interesse daran, die Sprache vom Fundamentalismus zu trennen." (Stefan Brändle aus Paris, 18.9.2018)