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Errechnet man die Ökobilanz nach Ertragsmengen, dann schneidet die industrielle Landwirtschaft beim Landverbrauch und beim CO2-Ausstoß eher besser ab als der biologische Landbau, argumentieren Forscher in einer neuen Studie.

Reuters

Cambridge – Der Hausverstand geht davon aus, dass biologischer Landbau vor allen anderen Anbaumethoden – jedenfalls der intensiven industriellen Landwirtschaft – die beste Ökobilanz hat. Sowohl Treibhausgasentstehung oder Wasserverbrauch würden dadurch minimiert werden, so die landläufige Meinung. Was aber, wenn man diese Bilanz nicht nach Flächeneinheit, sondern nach Ertragsmenge errechnet?

Genau das schlägt eine Forschergruppe um den britischen Ökologen Andrew Balmford (Universität Cambridge) im Fachblatt "Nature Sustainability" vor. Konkret wollen die Wissenschafter eine neue Formel für die Bewertung der externen Folgen von Landwirtschaft entwickeln, die diese Folgen für die Umwelt besser beschreibt als heute.

Vorteile für die Biodiversität?

Laut ihren vorläufigen Berechnung ergebe sich dadurch, dass die meist gescholtene intensive Landwirtschaft einige bemerkenswerte Vorteile aufweise: Vor allem der Flächenverbrauch bei gleichem Ertrag sei geringer. Das wiederum habe Vorteile für die Biodiversität. Außerdem entstehe weniger CO2 pro Tonne Ertrag.

Die Forscher wollen ihre Arbeit nicht als Plädoyer für industrielle Landwirtschaft, Überproduktion oder massiven Pestizideinsatz verstanden wissen. Ihr Vorschlag sei erst ein Anfang, so Balmford und Kollegen, und es gäbe noch einige Probleme zu lösen. Eines davon sei die zur Verfügung stehende Datenmenge, die noch sehr klein ist.

Kombination der besten Elemente

Internationale Experten haben – je nach Institution – auf die Vorschläge sehr verschieden reagiert. Martin Quaim, Professor für Welternährungswirtschaft an der Uni Göttingen, ist ebenfalls dafür, die Klimaeffekte pro Tonne Ertrag zu bewerten. Er hält es zudem "für falsch, den Ökolandbau als das Leitbild für eine umwelt- und klimafreundliche Weltlandwirtschaft zu betrachten".

Vielmehr müsse man die besten Elemente des Ökolandbaus und der konventionellen Landwirtschaft miteinander kombinieren, um wirklich nachhaltige Systeme zu entwickeln. "Dazu gehört auch die Nutzung neuer Züchtungstechnologien." Damit meint Quaim etwa den Einsatz der Gen-Schere CRISPR/Cas-9, die für die EU seit einem umstrittenen Urteil im Juli 2018 unter die Gentechnik fällt und daher aufgrund der teuren Zulassungsverfahren im Moment eher nur für die Agro-Multis leistbar ist.

Folgekosten intensiver Tierhaltung

Christian Schader vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau im Schweizerischen Frick meint, dass die vielen Vergleichsstudien zwischen intensivem und ökologischem Landbau in Sachen Ökobilanz pro Ertragsmenge ein uneinheitliches Bild ergeben würden: "Einige Studien zeigen Vorteile, einige aber auch Nachteile für den Ökolandbau. Das hängt ganz vom Produktionssystem und der Region ab, sowie auch von den Umweltindikatoren, die betrachtet werden."

Wichtig sei auch, nicht nur eine Umweltwirkung zu betrachten, sondern die Nachhaltigkeit umfassend zu bemessen. "Beispielsweise sind viele Risiken von Pestiziden ungeklärt", so Schader. "Auch Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung verursacht enorme Folgekosten, die in solchen Studien meist unberücksichtigt bleiben." Zudem würden in der Studie hochintensive Tierhaltungsformen als positiv dargestellt, die viele Menschen ganz klar auch aus ethischen Gründen ablehnen, da Tiere oft weder Auslauf haben noch artgerecht gefüttert werden.

Einsparung von Fläche

Die Studie von Balmford unterstützt jedenfalls den Ansatz, durch intensive Landwirtschaft Flächen einzusparen, um gleichzeitig auf anderen Flächen die menschliche Landnutzung gezielt einzuschränken und dort somit eine hohe Biodiversität zu ermöglichen. Das sieht auch Sebastian Lakner vom Department für Agrarökonomie der Universität Göttingen als vernünftiges Ziel.

Er gibt aber zu bedenken, dass genau das in der Realität (noch) nicht passiert. "Die aktuelle Entwicklung ist stattdessen, dass landwirtschaftliche Flächen nicht nur immer intensiver genutzt werden – mit negativen Konsequenzen wie dem anhaltenden Insektensterben, dem Verlust von Landschaften und der Abnahme der Bodenfruchtbarkeit –, sondern sich gleichzeitig auch immer weiter ausbreiten." (tasch, 23.9.2018)