Irrenanstalt mal anders: "Marat/Sade" in Linz.

Foto: Jochen Quast

Im Jahr 1808 läuft die Welt wieder rund: Die Französische Revolution ist vorbei, die Perücken sitzen, das Puder hält – zumindest in der geschlossenen Welt des Hospizes Charenton bei Paris. Dort spielt ein Stück im Stück: Der Marquis de Sade inszeniert mit den Insassen den Mord an einem der Wortführer der Revolution, Jakobiner Jean Paul Marat.

Katrin Plötner zeigt das große Ganze am Landestheater Linz mit Alexander Hetterle und Lutz Zeidler in den Titelrollen: Peter Weiss' weltbekanntes Stück von 1963 mit dem bombastischen Titel "Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats, dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade".

Die Bühne von Camila Hägebarth, eine zerstückelte Tribüne aus Tischen und Rampen, ist umrundet von einem Plastikvorhang, der die geheuchelte Transparenz einer Heilanstalt und ihrer Strukturen vorzeigt. In diese Idee fügt sich auch die Hospizleiterin (im Original Monsieur, hier Ines Schiller als Madame Coulmier), deren ständige Präsenz am Rande der Bühne an die radikale Unfreiheit der Darsteller sowie die Rahmung erinnert: "Alle spielen, so gut sie können."

Kampf gegen Unterdrückung

Das Linzer Ensemble reüssiert mit der Aufgabe, ein Laienensemble darzustellen (allen voran Katharina Hofmann und Markus Pendzialek als Ausrufer). Als Insassen der Irrenanstalt sind sie auf angenehme Weise unaufgeregt, auf überzogene Darstellungen psychisch und physisch Kranker verzichtend. Eher zeigt Plötner eine Masse, ein Volk, das gewillt ist, sich im Kampf gegen Unterdrückung zu vereinen. Zeidler aber hadert als Sade: "Glaubst du immer noch, dass es möglich ist, die Menschen zu einen?"

Fragen nach Widerstand und Rebellion wollen nicht ganz zünden und bleiben etwas matt: Sade und Marat, zwei Gegenpole, die "nur an sich selbst" respektive die Sache glauben (das heißt für Letzteren: Revolution, Blut, Gewalt), wirken bei Plötner nicht unversöhnlich – bloß uneinig in ihren Ansätzen zur Veränderung des Status quo. (Lili Hering, 19.9.2018)