Wien – "Entschuldigen Sie, warum hören wir das jetzt eigentlich alles?", fragt eine Ersatzgeschworene irritiert Norbert Gerstberger, den Vorsitzenden des Geschworenengerichts im Wiederbetätigungsprozess gegen Richard P., 30 Jahre alt und mehrfach vorbestraft. "Es ist das Recht des Angeklagten, wörtliche Verlesungen des Aktes zu verlangen", klärt sie Gerstberger auf. Und fährt fort, in den Akten zu blättern und Beschlüsse, Anklagen, Aussagen und Begründungen vorzutragen. Fast zwei Stunden lang.

P. wird unter anderem vorgeworfen, im Komplex der neonazistischen Website Alpen-Donau ein Forum eingerichtet zu haben und dort Administrator "RSD" (für Reichsicherheitshauptdienst, Anm.) gewesen zu sein. Belastet wird er durch zwei Mails.

Das erste ist ein Informationsaustausch zwischen zwei Männern, die rechtskräftig verurteilt wurden, da sie mit Gottfried Küssel die Alpen-Donau-Webseite betrieben haben. Felix B. schrieb am 26. Februar 2009 um 15.49 Uhr an Wilhelm A., ein "Kamerad" werde sich melden, da er technische Schwierigkeiten mit der Einrichtung des Forums habe.

Verdächtiges Mail nach vier Minuten

Vier Minuten später erhält A. eine Mail von der Adresse des Angeklagten, in dem er mit "Heil Dir" gegrüßt wird, die Probleme geschildert werden und das mit "Vielen Dank, Richard" endet. Im, wie es im rechtsextremen Jargon genannt wird, "Weltnetz" erschien das Forum ein knappes Monat später. Kurz vor der Veröffentlichung machte sich "RSD" zum Administrator.

Der Angeklagte argumentiert nun in drei Richtungen: Erstens bezweifelt er die Existenz der Mails an sich und glaubt an eine Fälschung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Und selbst wenn es das Schreiben gibt: Auch andere Menschen hätten die Zugangsdaten zu seinem Mailaccount gehabt. Drittens habe ein 2012 verstorbener deutscher Rechtsextremer ebenfalls die "RSD"-Zugangscodes gehabt.

Neben einer Aussage von Felix B., der sich an wenig erinnern kann, bringt der zweite Verhandlungstag neben der ausführlichen Aktenverlesung auch die wiederum von P. eingeforderte Präsentation der bei ihm sichergestellten Dinge. Wie selbst Verteidigerin Christine Wolf anmerkt, nicht die beste Idee: Denn Gerstberger präsentiert unter anderem NSDAP-Parteiabzeichen, Mein Kampf-Ausgaben und NS-Plakate.

Die Geschworenen glauben P. dennoch und sprechen ihn mit 3:5 Stimmen nicht rechtskräftig frei. (Michael Möseneder, 18.9.2018)