Mit der Organisation des informellen EU-Gipfels in Salzburg steuert die EU-Ratspräsidentschaft Österreichs politisch auf einen ersten Höhepunkt zu, zumindest aus Sicht eines Gastgebers. Denn sie verbindet den Namen des Vorsitzlandes mit wichtigen Weichenstellungen in der Union, bringt der Regierung Prestige. Ein solches Treffen ist wegen der weltweiten Aufmerksamkeit auch für den Tourismus ein nicht zu unterschätzender Faktor: Kein Wunder, dass die Salzburger Landesregierung alles unternommen hat, um mit der Mozartstadt zum Zug zu kommen. Bundeskanzler Sebastian Kurz tat seinem Parteifreund diesen Gefallen gerne.

Er lud seine Regierungskollegen für Mittwochabend für Gespräche zum Themenkomplex Migration zu einem Arbeitsabendessen an einem ungewöhnlichen Ort: auf die Bühne der Felsenreitschule, wo sonst große Opern zur Aufführung kommen. Für den zweiten Tag machen die Gastgeber die bekannte Musikuniversität Mozarteum für die 28 Staats- und Regierungschefs der Union und hunderte Journalisten aus aller Welt frei.

Dort steht das derzeit brennendste Thema zur Debatte: wie man in den kommenden Wochen den Brexit geordnet über die Bühne bringen könnte. Es soll dazu im November einen Sondergipfel geben, bei dem ein Deal der EU-27 mit der britischen Premierministerin Theresa May versucht werden soll. Das hat Bundeskanzler Sebastian Kurz in seiner Eigenschaft als derzeitiger EU-Ratspräsident dem STANDARD kurz vor Beginn des informellen EU-Gipfels in Salzburg bestätigt (siehe Interview Seite 4). Er werde dort mit dem Ständigen Ratspräsidenten Donald Tusk initiativ werden. Nach Informationen des STANDARD steht sogar zur Disposition, dass der Brexit, der am 29. März 2019 stattfinden sollte, um zwei Jahre verschoben werden könnte, sollten die in London regierenden Torys nicht bald miteinander klarkommen. Das wäre per einstimmigen Beschluss der Regierungschefs möglich. Bis es so weit ist, wird man aber noch gut zwei Monate auf Biegen und Brechen verhandeln.

Keine formellen Beschlüsse

Dass der Brexit so in den Vordergrund rückt, steht dem Sinn informeller EU-Gipfel eigentlich entgegen. An sich sollen diese dazu dienen, dass die Regierungschefs jedes halbe Jahr jenseits des regulären Tagesgeschäfts in der EU zusammenkommen, um über längerfristige Perspektiven offen und ohne Druck zu diskutieren. Dafür haben sie sich vor zwei Jahren eine "Leader's Agenda" gegeben, einen Plan der Führungsspitzen mit langfristig festgelegten Zeitfenstern und Zielen. So ist denn auch nicht Kanzler Sebastian Kurz der Herr des Verfahrens, sondern der Ständige Ratspräsident Donald Tusk. Er bereitet (freilich in Abstimmung mit Kurz) die Tagesordnung vor.

Bisher hatte man sich schwerpunktmäßig den Themen Digitale Zukunft, Umbau und Vertiefung der Währungsunion, Bildung und Entwicklung sowie Sozialpolitik gewidmet. Für Salzburg hatte Tusk die gemeinsame Sicherheit auf der Agenda. Aufgrund der aktuellen Krisen um die Migration und den Brexit kam man davon aber ab. Man konzentrierte sich mit der österreichischen Regierung darauf, noch vor den EU-Wahlen 2019 möglichst viel von anstehenden Reformen zu Grenzen und Asyl umzusetzen.

Formelle Beschlüsse sind eigentlich nicht vorgesehen, worauf der Kanzler auch immer wieder verweist, um die Erwartungen an den Salzburg-Gipfel herunterzuschrauben. Die Umsetzung der Gespräche in konkrete Maßnahmen soll aber möglichst zahlreich bis zum regulären Spitzentreffen Mitte Dezember erfolgen, wobei die österreichische Regierung als selbsterklärter "Brückenbauer" dabei nur ein Rädchen in einer komplexen Entscheidungsstruktur ist: Neben Tusk und Kurz spielen die Außenbeauftragte Federica Mogherini, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und natürlich das deutsch-französische Doppel Merkel-Macron eine tragende Rolle. (Thomas Mayer, 18.9.2018)