In dieser Woche stellt Doris Knecht fest, dass Sportgewohnheiten weitervererbt werden: Sie selbst hat nie Tennis gespielt, ihre Kinder haben es auch nicht versucht.

Foto: Irina Gavrich

Reden wir über Tennis. Reden in erster Linie deshalb, weil ich selbst noch nie Tennis gespielt habe. Wenn man es nicht als Kind lernt, lernt man es als Erwachsener meist nicht mehr, Ausnahmen und so weiter. Als ich aufwuchs, war Tennis ein Sport für wohlhabendere Leute. Für meine Familie kam es nicht infrage. Meine Eltern hatten keinen sportlichen Ehrgeiz, man ging wandern, fuhr Rad. Wenn das nicht reichte, sportelte man etwas, das nichts kostete, wofür man keine Ausrüstung brauchte und wo man nicht hingefahren werden musste; wir hatten kein Auto. Turnverein, Leichtathletik, Schwimmen, solche Sachen.

Tennis war kein Thema. Tennis spielten die Kinder von Eltern, die sich die Ausrüstung, das weiße Gewand, die guten Schuhe, den Tennisverein leisten konnten. Tennis war, so erinnere ich mich, etwas für die Nachbarsbuben, die samstagnachmittags in den weißen kurzen Hosen und im weißen Poloshirt ins Auto ihrer Eltern stiegen und zum Training fuhren. Stimmt vielleicht gar nicht. Wir waren jedenfalls im Turnverein in der nahegelegenen Schule, ohne großen Ehrgeiz, die Turnanzüge nähte unsere Mutter selber.

Williams-Debatte

Ich habe nie über diese Tennissperre nachgedacht. Es fiel mir erst im Zusammenhang mit dieser Serena-Williams-Debatte wieder ein. Serena Williams ist die erfolgreichste Tennisspielerin der Welt, sie hat 23 Grand Slams gewonnen, viermal olympisches Gold, sie beendete fünf Saisonen als Nummer eins der Weltrangliste. Außerdem ist sie schwarz.

Kürzlich hat der Präsident des französischen Tennisverbands versucht, ihr vorzuschreiben, was sie während der Arbeit anzuziehen hat und was nicht. Dann hatte sie eine Auseinandersetzung mit einem Platzrichter, die sie den Sieg bei den US Open kostete und Social Media in zwei Lager spaltete, Team Serena und die anderen. (Team Serena, eh klar.)

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Serena Williams' Ganzkörperanzug, der in Paris nicht goutiert wurde.
Foto: Reuters/Platiau

Die Sache hat mich interessiert, vor allem die feministischen Aspekte. Auch, weil nicht nur der "Guardian" hervorgehoben hat, dass der Konflikt letztlich eine Demonstration dessen war, wer im Tennis das Sagen hat – weiße Männer – und wessen Sport Tennis letztlich noch immer sei: der Sport besser situierter weißer Menschen.

Ich höre von Kollegen, die Tennis spielen, dass das nicht mehr so sei, vor allem auch am Land, wo die Tennisvereine sich um Nachwuchs sorgen und kümmern. Aber aus irgendeinem Grund kam Tennis, als es um die Sportaktivitäten der eigenen Kinder ging, auch nicht in die engere Wahl: Vielleicht spielte das Unterbewusstsein eine Rolle, die fix darin angelegte Doktrin, dass Tennis für uns nichts ist.

War nie ein Thema, vielleicht weil auch die sportliche Ehrgeizbefreitheit in der Familie weitgehend weitervererbt wurde. Nur eine Nichte hat sich dem erfolgreich entzogen: die ist Vizestaatsmeisterin – im Turnen. (Doris Knecht, RONDO, 2.10. 2018)

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