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Eine Eskalation im Handelsstreit zwischen China und den USA könnte den globalen Handel empfindlich treffen.

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Wien/Washington – Man sollte nicht glauben, dass Trumps Strafzölle automatisch den USA mehr schaden als nutzen. Denn sie haben dadurch hohe Zolleinnahmen, und etwa die Hälfte davon wird über Preisnachlässe von den ausländischen Firmen bezahlt, sagte der Ökonom Gabriel Felbermayr am Dienstagabend bei einem Vortrag auf Einladung der Agenda Austria. Dagegen wehren könne sich Europa an ehesten mit Gegenzöllen.

Zölle der EU auf Produkte wie Harley-Davidson-Motorräder, Erdnussbutter oder Whiskey mögen manchen nur lächerlich oder symbolisch erscheinen, sie seien aber klug gewählt, sagte Felbermayr, denn es seien Produkte, bei denen die US-Exporteure wohl Preisnachlässe gewähren müssen, um keine Marktanteile zu verlieren – und damit den Zoll selbst bezahlen und nicht auf die Konsumenten in Europa abwälzen können. Produkte, bei denen die USA ein Monopol haben, sind hingegen nicht auf der Liste der Gegenzölle.

Defizit im Warenhandel nicht überwältigend

"Die Gegenwehr ist richtig und wird noch richtiger, wenn es die ganze Welt tut", sagt der Österreicher, der ab März 2019 das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) leiten wird. "Denn dann wird aus dem potenziellen Gewinn der USA ein ziemlich großer Verlust."

Trumps Obsession mit dem Handelsdefizit lasse sich nicht durch Zahlen untermauern, so Felbermayr. Genau genommen sei schon das Defizit im Warenhandel im historischen Vergleich nicht überwältigend, betrachte man die gesamte Leistungsbilanz, dann haben die USA etwa gegenüber der EU sogar einen Überschuss.

Zugleich warnt Felbermayr davor, Trump als Spinner abzutun. "Nach der Spieltheorie ist es rational, was er macht." Er breche alle Tabus, um die "Asymmetrien" in den Handelsverträgen zu brechen. Wirklich anders sei nur, dass Trump diese Verhandlungen nicht wie üblich in Hinterzimmern teurer Hotels führe, sondern öffentlich über Twitter, und dass er nicht die "Diplomatensprache" nutze.

Zölle ohne Gegenwehr ökonomisch sinnvoll

Allerdings könnte sich Trump etwas verschätzt haben. Denn die amerikanische Hypothese sei bis vor kurzem gewesen: Die USA können ruhig aggressiv auftreten, denn der Rest der Welt lässt sich das ohne Gegenmaßnahmen gefallen. Die USA gingen davon aus, dass Europa zerstritten und schwach, Chinas Führung zerrüttet und handlungsunfähig sei. Solange man davon ausgehe, dass es keine Gegenwehr gibt, seien Strafzölle ökonomisch sinnvoll, sagt Felbermayr. Es dürfte aber Trump überrascht haben, dass sich Europa und China das nicht gefallen lassen.

Kann Trump mit seinen Maßnahmen das Leistungsbilanzdefizit der USA verschwinden lassen? "Vermutlich nicht", sagt Felbermayr. Denn ein Leistungsbilanzdefizit heiße, dass der heimische Konsum zu hoch sei im Vergleich zur Produktion. Wahrscheinlicher sei, dass das Leistungsbilanzdefizit nicht verschwindet, sich die Importe aber von China weg zu anderen Ländern verschieben und der Dollar aufwertet. Und Letzteres würde die Schwellenländer vor große Probleme stellen. China hingegen dürfte durch die Zölle maximal 0,5 Prozentpunkte Wachstum verlieren. Wenn dort das Wirtschaftswachstum von den prognostizierten 6,5 Prozent auf 6 Prozent fällt, "dann ist das nicht schön, aber kein riesiges Problem".

Eskalation könnte zu Verhandlungen führen

Und eine Hoffnung hat Felbermayr: Vielleicht sei diese Eskalation ja nötig, um die großen Wirtschaftsmächte USA, EU, China und Japan an den Verhandlungstisch zu zwingen und ein neues Welthandelssystem zu entwerfen. Denn die WTO sei, "wenn man das nüchtern betrachtet, in der Tat ein enttäuschender Verein". Mit 164 Mitgliedern, jedes mit einem Vetorecht ausgestattet, sei die WTO nicht mehr in der Lage, große handelspolitische Entscheidungen herbeizuführen. Und man solle sich auch von der Vorstellung verabschieden, die EU sei ein Hort des Freihandels. Auch in Europa gebe es noch viel Protektionismus. (APA, 19.9.2018)