China will den Handelsstreit durch Stimulation der Nachfrage und Investitionen in Technologie abfedern.

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Im prallgefüllten Saal stieg die Spannung, als Premier Li Keqiang am Mittwoch zu 2.500 Unternehmern und Politikvertretern sprach, einen Tag nach der Eskalation im Handelskrieg zwischen den USA und China. Eine Stunde redete er bei der Eröffnung der alljährlichen chinesischen Ablegerkonferenz des Davoser Weltwirtschaftsforum (WEF) in Tianjin. Doch Li erwähnte weder den Showdown mit US-Präsident Donald Trump, noch in welcher Lage sich sein vom Außenhandel stark abhängiges Land befindet.

Trump hatte China am Vortag mit Strafzöllen auf Importe im Wert von 200 Milliarden Dollar traktiert, worauf Peking als Vergeltung eigene Strafzölle auf US-Import im Ausmaß von 60 Milliarden Dollar ankündigte. Der zweitmächtigste Politiker Chinas blieb klare Antworten dazu schuldig – Zeichen für die anhaltende Verunsicherung der Pekinger Führung, wie sie mit Trump umgehen soll, vor allem in der Öffentlichkeit.

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Über US-Präsident Trump wollte Chinas Premier Li Keqiang in Tianjin nicht reden
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Li äußerte sich auch nicht dazu, ob die vergangene Woche vereinbarten Verhandlungen Pekinger Unterhändler mit Washington am Ende des Monats nun geplatzt sind oder Pekings Tür noch offen steht. Er kritisierte nur in Form von Anspielungen: "Unilaterale Aktionen führen nicht zu Lösungen." Das beeindruckt Trump wenig, provoziert ihn aber auch nicht.

Indirekte Stellungnahme

Indirekt nahm der Premier dennoch Stellung. Ohne Trump beim Namen zu nennen, wies er dessen Anschuldigung zurück, dass Peking ein Währungsmanipulator sei, weil es den Wechelkurs seines Renminbi (RMB) kräftig zum Dollar aufwertet, um so seine Exporte zu unterstützen und die US-Strafzölle zu minimieren. "Das ist nicht wahr", sagte Li. "Ich kann Ihnen versichern, dass wir den RMB-Wechselkurs stabil halten können."

Peking werde auch nicht über massive Finanzspritzen in die Infrastruktur sein sich verlangsamendes Wirtschaftswachtum stimulieren. Es setze auf neue Treiber wie den Konsum und die Nachfrage, auf moderne Technologie und Internetanwendungen. In Lis Rede fehlte der in den USA und Europa zum Reizwort gewordene Begriff "Made in China 2025".

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Im Hafen von Tianjin bekommen Arbeiter den schwelenden Zollstreit direkt zu spüren.
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Ebenfalls indirekt wies der Premier den Vorwurf des Diebstahls von US-Know-how zurück, mit dem Trump neben seiner Kritik am horrenden Handelsdefizit mit China seine Strafzölle begründet. China, sagte Li, müsse die eigenen Geheimnisse schützen. Es greife daher durch. "Jeder Diebstahl geistigen Eigentums wird von uns mit doppelten oder dreifachen Strafen geahndet."

Zwischenapplaus für Li

Li erhielt für seine Rede immer wieder Zwischenapplaus vor allem von chinesischen Zuhörern, darunter viele private Unternehmer und Vertreter kleiner und mittlerer Industrien (SME). Sie klatschten sogar zweimal, als der Premier zusagte, "den privaten Sektor zu unterstützen", und für dessen Entwicklung Steuersenkungen, einen Abbau der Bürokratie, einfacheren Zugang zu Krediten und weitere Erleichterungen versprach.

Hintergrund dafür ist eine in China Unsicherheit auslösende Debatte, die sich an einem obskuren Onlineaufsatz entzündete, den vor wenigen Jahren niemand beachtet hätte. Ein ultralinker Autor fordert darin von der Regierung, die Privatindustrie zugunsten der Staatsindustrie "auslaufen zu lassen". Der sozialistische Staat brauche sie nicht mehr. Sie habe ihre historische Rolle gespielt.

Verdammter Einzelbeitrag

Alle großen chinesischen Parteimedien von der "Volkszeitung" bis zur "Economic Daily" verdammten den rasch von der Zensur gelöschten Einzelbeitrag. Weil aber die staatliche Zurückweisung des ultralinken Postulats so unverhältnismäßig stark ausfiel, löste sie im Netz nur noch mehr Besorgnis aus.

Mehrfach versprach der Premier, die Marktreformen auszubauen und gleiche Bedingungen auf dem chinesischen Markt herzustellen. Das hatte er in den vergangenen Jahren auf den alljährlichen WEF-Treffen immer wieder gesagt. Doch dieses Mal fühlte er sich bemüßigt, affirmativ über seine eigenen Reformversicherungen zu sagen: "Das ist kein leeres Gerede." Alle, die es anders erleben, könnten ihre Beschwerden direkt bei ihm vorbringen. Darauf erhielt der Premier erneut Beifall aus dem Saal. (Johnny Erling aus Tianjin, 19.9.2018)