Der Artikel samt der Bildunterschrift "'Wiener Explorer Dish' samt Semmelbröselteppich mit Semmelknödel" verstößt nicht gegen den Ehrenkodex.

Foto: Severin Corti

Wien – Das Wiener Restaurant Gräfin vom Naschmarkt ist mit einer Beschwerde gegen eine Gastro-Kritik des STANDARD beim Presserat abgeblitzt. Das Lokal hatte sich über gleich zwei Artikel im STANDARD beschwert. Doch der Presserat wies das als "offensichtlich unbegründet" zurück: In einer Kritik einen schlechten Eindruck zu schildern verstoße nicht gegen den Ehrenkodex für die Österreichische Presse.

Der STANDARD hatte sich in einem Artikel Online-Rezensionen vor allem auf dem Portal Tripadvisor angesehen, viele davon negativ. Im Zentrum dieses Artikels stand dabei die Reaktion der Restaurantbetreiber – nämlich dass diese "mitunter patzig" ausfalle. In ihrer Beschwerde kritisierte die Gräfin-Betreiberfirma, dass der STANDARD "ganz bewusst ausschließlich negative" Kommentare hervorgehoben habe. Der Presserat kam aber zu dem Schluss, dass "die wenigen positiven Kommentare" bei der Fülle der Verrisse "in den Hintergrund rücken".

"Polemisch und rufschädigend"

Die Einschätzung des STANDARD, es handle sich "wohl um eines der schlechtesten Restaurants des Landes", sei im Lichte dieser Statistik "gerechtfertigt", meint der Presserat. Außerdem habe sich der STANDARD vor allem dem Umgang mit dem negativen Feedback gewidmet, und das sei legitim beziehungsweise ein "Beitrag zu einer gesellschaftlichen Diskussion: Das unorthodoxe Beschwerdemanagement ist für die Allgemeinheit durchaus von Interesse", so der Senat 2.

Dann probierte der STANDARD selbst aus, wie man so isst in der Gräfin. Der Titel der daraus resultierenden Restaurantkritik – "Bröselteppich mit Semmelflummi" – lässt schon erahnen, dass es nicht mundete. Und richtig: Die Rindsuppe wurde als "rein gekörnte Brühe" erlebt, die Lasagne als "ein in der Mikrowelle fachgerecht zu Magma verwandelter Ziegel mit großzügiger Garnierung aus Trockenkäse-Sägemehl" und der Semmelknödel als "ein beeindruckender Flummi von außen leimiger, innen trockener Konsistenz und zarten Spülwasser-Anklängen im Finish". Die Beschwerde der Gräfin: Diese Schilderung sei "an Süffisanz kaum zu überbieten", polemisch und rufschädigend.

Meinungsfreiheit reicht sehr weit

Doch der Presserat befand: Restaurantkritiken sind "Meinungsäußerungen, die auf persönliche (subjektive) Eindrücke zurückgehen. Bei Bewertungen eines Restaurants oder der dort servierten Speisen reicht die Meinungsfreiheit sehr weit." Der Autor sei im Restaurant gewesen, habe die Speisen serviert bekommen und konsumiert, sein "Ermessensspielraum" in der Schilderung seiner Erlebnisse sei "entsprechend groß", seine Eindrücke habe er "auf pointierte Art und Weise" geschildert.

"Es ist zwar nachvollziehbar, dass dies für die Beschwerdeführerin als Inhaberin des Restaurants unangenehm ist, ein möglicher Verstoß gegen den Ehrenkodex ist darin jedoch nicht zu erblicken", lautet das Fazit des Senats, der abschließend selbst den Bogen zu den Tripadvisor-Reviews schlug: Diese seien ein Indiz dafür, dass der Befund des STANDARD-Testessers "nicht völlig aus der Luft gegriffen ist". (APA, 19.9.2018)