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Startete Anfang September eine linke Sammlungsbewegung in Deutschland: Sahra Wagenknecht (rechts) mit dem früheren grünen Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, Autor Bernd Stegemann, der Flensburger Bürgermeisterin Simone Lange und dem Werber Hans Albers.

Foto: REUTERS/Axel Schmidt

In Zeiten, wo Angst in den Köpfen der Menschen eine große Rolle zu spielen scheint, schlägt die Politik in populistischer Art genau in diese Kerbe, nur um auf simple Weise Wählerstimmen zu generieren. Und auch wenn sich einige Politiker nur ungern in dieser Rolle sehen und das faule Wählerangeln lieber den Politkollegen aus den anderen Parteien in die Schuhe schieben, so sind sich alle in einem offensichtlich einig: Ängste müssen geschürt werden, solange sie noch frisch sind.

Ob das nun die Angst vor anderen Menschen oder anderen Meinungen ist, ist völlig gleichgültig, Hauptsache, es lässt sich so drehen und wenden, dass sich die eigene Partei im Schein des märtyrerischen Wohlwollens für die Bevölkerung sonnen kann. Dass sie jedoch nur von der Reflexion des heuchlerischen Grinsens des persönlichen Spiegelbilds geblendet werden, kommt kaum einem in den Sinn. Und so bemerken sie nicht, dass sie nicht nur die Aufmerksamkeit der Menschen steuern, sondern auch die eigene. Und da Energie stets der Aufmerksamkeit folgt, resultiert daraus ein teuflischer Prozess, der keinem nützt und allen schadet.

Innovation statt Imitation

In Deutschland versucht sich eine neue Bewegung an der Veränderung dieser Tatsache. "Aufstehen" ist die unter anderem von der Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht initiierte Initiative gegen Ohnmacht und Parteienversagen mit dem Anspruch, die Demokratie zu retten. Ziel ist es, eine breite und öffentliche Debatte anzustoßen und Druck auf die etablierten Parteien ausüben.

Ein Ansatz, den sich auch in Österreich Vertreter des linken politischen Spektrums, die immer noch mit der Suche nach ihrer Haltung und Linie zum scheinbar alles dominierenden Migrationsthema beschäftigt sind, etwas genauer anschauen sollten. Hier ist das durch Noch-Parteichef Christian Kern, den Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser und Hans Peter Doskozil, der im Burgenland Landeshauptmann werden möchte, beschlossene und von Kaiser und Doskozil entwickelte Migrationspapier mit der zentralen Botschaft "Integration vor Zuzug" kein Quantensprung, sondern eher eine schwache Blaupause des politischen Gegenübers. Solche großangekündigten Strategiepapiere tragen nicht zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Sozialdemokraten bei, die vor nicht allzu langer Zeit noch ganz andere Töne der Solidarität in Bezug auf Flüchtlinge von sich gaben. Hier geht der Wähler, wenn er derartige Lösungen sucht, verständlicherweise lieber zum Schmied und nicht zum Schmiedl.

Menschen müssen geistig "aufstehen"

Oskar Lafontaine, ebenfalls Ziehvater der neuen Sammlungsbewegung "Aufstehen", hat die Zeichen der Zeit erkannt. "Wir brauchen eine linke Sammlungsbewegung, eine Art linke Volkspartei, in der sich Linke, Teile der Grünen und der SPD zusammentun", stellte Lafontaine in einem "Spiegel"-Interview fest. Hier geht es mehr um eine mentale als um eine rein strukturelle Revolution, in der sich einfach Vertreter des linken Spektrums zusammenschließen. Die Kernidee ist es, die Barrieren des politisch Korrekten und Eindimensionalen zu sprengen. Hätten die österreichischen Sozialdemokraten nur mit einem Auge zu ihren Nachbarn im Geiste geblickt, wäre ihr Manifest zur Migration vielleicht etwas kreativer ausgefallen.

Migrationspapier Mimikry

Die Bürger zum Mitdenken anzuregen ist nicht immer angenehm, stellt aber die einzige Chance dar relevante Wählergruppen, wie die Nichtwähler, die sich von keiner etablierten Partei mehr angesprochen fühlen, zu mobilisieren. Eine Mimikry beim Thema Migration, um sich durch das Annehmen von Gestalt und Farbe des politischen Opponenten vor der scheinbaren mehrheitlichen Meinung in der Bevölkerung durch Täuschung zu schützen, ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Das Schließen von kognitiven Routen, in Analogie zu neuronalen Verbindungen, ist der Entwicklung einer politischen Bewegung – egal ob links oder rechts – nicht sonderlich zuträglich. Auch wenn Balkan- oder sonstige Routen geschlossen werden, stehen in ganz Europa noch weitere große Herausforderungen vor der Tür. Daher geistig bitte "aufstehen", SPÖ. (Daniel Witzeling, 19.9.2018)