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Make translation great again: Ein Uno-Dolmetscher in New York übersetzt Donald Trump. Die Uno in Wien hat 28 Übersetzer angestellt.

Foto: Reuters/SHANNON STAPLETON

Die Tür zur Dolmetscherkabine ist nur angelehnt, auf den schmalen Gang dringt dumpf die russische Simultanübersetzung durch. Auch die Kabine nebenan ist nicht ganz zu, leise zu hören sind die gleichen Inhalte, aber auf Spanisch. In der Englisch-Kabine ganz links haben die zwei Simultandolmetscher gerade Pause. Denn der Redner ein paar Meter unter ihnen, in einem Verhandlungssaal der Vereinten Nationen in Wien, spricht selbst Englisch. Vor den Dolmetschern liegen stapelweise Redevorlagen, auf einem Bildschirm wird das Nachrichtengeschehen beobachtet. "Wir müssen immer am Ball bleiben und breit informiert sein", flüstert Jennifer Kearns. Nicht selten würde ein Redner etwa auf ein aktuelles Fußballergebnis Bezug nehmen. Sie ist seit 18 Jahren Dolmetscherin, 14 davon bei der Uno, zuerst in New York, nun in Wien.

Wie in einer Loge eines alten Theaters sitzen die Dolmetscher über den Köpfen der Entscheidungsträger einer IAEA-Sitzung und blicken durch die Glasscheiben auf den Saal im 70er-Chic. Während sie das Geschehen hochkonzentriert verfolgen, bleiben sie von den Menschen unten unbemerkt – im Idealfall. "Wenn man zu uns hinaufschaut, dann ist das nicht immer ein gutes Signal", sagt Kearns und lacht.

Adrenalin beim Simultanübersetzen

Kearns arbeitet in der englischen Kabine, wo sie aus dem Spanischen und Französischen übersetzt. Für jede der sechs Uno-Arbeitssprachen gibt es eine Kabine mit jeweils zwei Kollegen. Alle 30 Minuten wechseln sie sich ab, wegen der hohen Belastung. Die Kunst beim Simultandolmetschen, sagt Kearns, ist, in kurzer Zeit den Kern eines Streitpunkts zu verstehen und zu erfassen: Worauf will der Redner hinaus?

Auch nach 18 Jahren ist Adrenalin Teil der Arbeit. Simultanübersetzen sei, wie ein ungezähmtes Pferd zu reiten. Man weiß nicht, was passieren wird, das Wichtigste ist nur: oben bleiben. "Am Montag geht es um den Weltraum, am Dienstag um Atompolitik, am Mittwoch um die elektronische Unterschrift, am Donnerstag um Entwicklungshilfe und am Freitag um internationales Verbrechen." Und das in einem Sprachtempo, das sich von Jahr zu Jahr steigert. Die Nervosität sei dann am größten, wenn Spannungen vorherrschen. Dann sei man sich der Konsequenzen bewusst, die Fehler haben können – dass jedes Wort zählt.

Vom Flüsterdolmetschen

Der Großteil der Arbeit bei der Uno ist Simultanübersetzen. Nur sehr selten wird "Chuchotage" eingesetzt, das sogenannte Flüsterdolmetschen. Es ist die intimste Form des Übersetzens und wird etwa bei bilateralen Abendessen angewandt.

"Natürlich könnten wir unzählige Anekdoten erzählen, aber das widerspräche unserem Berufsverständnis." Denise Tschager und Ursula Riezinger, die mit einer weiteren Kollegin die Dolmetscherteams für die Konferenzen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft organisieren, winken gleich ab: Verschwiegenheit sei oberste Prämisse in dem Beruf. Grundsätzlich gilt: Nichts, was nicht öffentlich bekannt ist, darf nach außen dringen. Mit gutem Grund, denn Dolmetscherinnen hören vieles, was der Geheimhaltung unterliegt.

Nicht immer sind die Inhalte so spektakulär wie mutmaßlich beim Vieraugengespräch von Wladimir Putin und Donald Trump im Juli. Es gab damals sogar Forderungen, die Dolmetscherin Marina Gross befragen zu dürfen – aufgrund ihrer Geheimhaltungspflicht eigentlich unmöglich.

So tragen die Dolmetscher einen wichtigen Teil zum Gelingen internationaler Kommunikation bei. Wie wichtig er ist, wurde im Juni im EU-Parlament klar: Ein Streik gegen schlechte Arbeitsbedingungen legte die reibungslose Kommunikation lahm.

552 mögliche Sprachkombinationen in der EU

Tschager und ihre Kolleginnen koordinieren ein EU-weites Team von mehr als 100 Personen, die gemeinsam in und aus allen 24 Amtssprachen der EU dolmetschen – also 552 mögliche Sprachkombinationen. Bei der Uno in Wien gibt es 28 Fixangestellte und je nach Bedarf mehr als 80 Freiberufler. Vollsprachenregime nennt man das Dolmetschen aus allen und in alle 24 EU-Amtssprachen. Vor allem ausgefallene Sprachkombinationen zu besetzen sei organisatorisch aufwendig, sagt Tschager. Dass Manuskripte vorab zur Verfügung gestellt werden, gehört in der EU zur Ausnahme.

Beim EU-Gipfel in Salzburg dolmetschen die angestellten Dolmetscher der Generaldirektion Dolmetschen von der EU-Kommission. 130 Personen sind in zwei Teams im Einsatz und sorgen dafür, dass die Gipfelteilnehmer einander verstehen. (Manuela Honsig-Erlenburg, Anna Sawerthal, 20.9.2018)