Frage:

"Vor kurzem waren meine dreijährige Tochter und ich zu einem Kindergeburtstagsfest eingeladen. Es war eine fröhlich-unaufgeregte Feier mit einer Horde ausgelassener Kinder bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Überreichen der Geschenke auf dem Programm stand. Das vierjährige Mädchen wurde mit Packerln schier überhäuft. Manche Eltern hatten gleich mehrere Dinge besorgt, darunter nicht immer nur kleine Sachen, sondern auch verhältnismäßig Teures. Ohne das Ausgepackte weiter zu würdigen, riss sie wie ferngesteuert ein Packerl nach dem anderen auf. Der Geschenkeberg schien nicht nur das Geburtstagskind zu überfordern, auch die Kinder wurden zunehmend aufgekratzter. Wo vorher noch entspannt gespielt wurde, mussten jetzt Besitzverhältnisse geklärt werden. "Nein, damit darfst du nicht spielen. Das gehört dem Geburtstagskind", war da zu hören. Aber muss das so sein? Wie kann man verhindern, dass die Stimmung derart kippt und sich alles nur noch um die Anzahl der Geschenke dreht?"

Kinder lieben Geburtstagsfeiern – und Geschenke. Aber wie viele Geschenke braucht das Glück?
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Antwort von Olivera Stajić:

Aus der harten Praxis kann ich berichten, dass es einige Strategien gibt, um "Konsumfetisch" oder Streit am Gabentisch zu vermeiden. Einige Familien schreiben schon auf die Einladung, was und in welchem Umfang geschenkt werden soll. Oder aber, dass es gar keine Geschenke geben soll, was ich persönlich etwas überzogen finde. Sie können auch ein Motto ausrufen, wie zum Beispiel: "Gebrauchtes", wie etwa bereits gelesen Bücher, oder Selbstgemachtes: Mein Sohn bekam von seiner Kindergartenfreundin selbstgebacken Cupcakes, sehr herzig.

Damit es zu keinem Gerangel um die Geschenke kommt, kann das Auspacken als ein fixer Programmpunkt vorgesehen werden, auf den etwas viel Aufregenderes folgt: Torte zum Beispiel oder ein spannendes Spiel. Das Auspacken überhaupt auf später, also nach der Party, zu verschieben, wäre natürlich auch eine Möglichkeit. Wenn auch keine, die sich mit Drei- oder Vierjährigen gut umsetzen lässt. (Olivera Stajić, 23.9.2018)

Olivera Stajić ist STANDARD-Redakteurin und Chefin vom Dienst. Die ehemalige Ressortleiterin von daStandard.at ist Mutter von zwei Söhnen.
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Antwort von Hans-Otto Thomashoff:

Es mag verblüffen, doch in diesem Beispiel geht es gar nicht um die Kinder. Denn das hier beschriebene übertriebene Verwöhnen ist weniger Kinderbeglückung als Selbstinszenierung der Eltern. Oft ist es die Folge von schlechtem Gewissen, wenn Eltern zu wenig Zeit für Kinder haben, doch öfter noch ist das Überhäufen mit Geschenken oder das Ausstaffieren mit überteuerter Designerkleidung Ausdruck einer Konkurrenz zwischen Eltern. Angeheizt von bunter Werbung wollen alle die besseren Eltern für die perfekten Vorzeigekinder sein. Da überrascht es nicht, wenn die Kinder entsprechend reagieren. Völlig überfordert rudern sie im Überfluss herum und beginnen zu streiten.

Was tun? Wenn wir wirklich gute Eltern sein wollen, dann sollten wir ernst nehmen, was wir unseren Kindern vermitteln. Dann sollten wir uns einen Spiegel vorhalten und uns fragen, warum wir aberwitzig unser Geld verschwenden, frei nach dem Motto des Alexander von Humboldt zugeschrieben Zitats: "Wohlstand ist, wenn man mit Geld, das man nicht hat, Dinge kauft, die man nicht braucht, um damit Leute zu beeindrucken, die man nicht mag."

Am Ende des Tages werden unsere Kinder die Werte übernehmen, die wir ihnen vorleben. Ich betone: was wir ihnen vorleben, nicht was wir ihnen vorbeten. Und dann machen sie genau das nach. Oft noch übersteigerter als wir. Oder aber sie machen das genaue Gegenteil, weil ihnen ihr Gefühl signalisiert, dass wir in Wirklichkeit unzufrieden sind mit unserer Lebensgestaltung.

Die Kernfrage, die wir uns stellen müssen, lautet also: Was leben wir vor, tagein, tagaus? Und dabei sollten wir uns entspannt erlauben, aus der Elternkonkurrenz auszusteigen, um die Werte vorzuleben, die wir wirklich für wichtig halten. (Hans-Otto Thomashoff, 23.9.2018)

Hans-Otto Thomashoff ist Psychiater, Psychoanalytiker, zweifacher Vater und Autor. Zuletzt veröffentlichte Bücher: "Das gelungene Ich" (2017) und "Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden" (2018).
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Antwort von Katharina Weiner:

Es ist verständlich und nachvollziehbar, einen Kindergeburtstag so fröhlich wie möglich zu gestalten. Dazu gehören in den meisten Familien auch Geschenke. Kinder im beschriebenen Alter zwischen drei und vier Jahren können kaum unterscheiden, was nun ihnen oder anderen "gehört". Was sie aber wissen, ist, dass sie genau das, was der oder die andere hat, auch gerne hätten – meist aus purer Neugier, etwas auszuprobieren oder anfassen zu wollen.

In der Interaktion zwischen den Kindern entwickelt sich ein natürlicher Prozess von gegenseitigem Überschreiten persönlicher Grenzen. Die Reaktionen dabei können ganz unterschiedlich ausfallen. Entweder sagt mein Gegenüber Nein, lässt gewähren oder lädt mich zum gemeinsam Spielen ein. So gesehen eine wertvolle Erfahrung an vielfältigen Emotionen und deshalb zunächst keine besorgniserregende Situation.

Wir Erwachsene sollten uns dessen bewusst sein, dass diese beinahe vorprogrammierten Situationen in unserer Verantwortung stehen. Halte ich es aus, wenn Streit entsteht, und wie gehe ich damit um. Verstehe ich, dass sich die Kinder aufgrund der Überforderung in einer Notsituation befinden, und kann ich es verbalisieren? Biete ich meine Hilfe an, oder versuche ich den Streit zu schlichten? Unsere Beziehung zu unseren Kindern ist die emotionale Basis für viele künftige Konflikte, sowohl in der Familie als auch mit Freunden. Wenn sich ein Kind angenommen fühlt, dürfen die Gäste meist problemlos mit "seinen" Geschenken spielen.

Bei Kindern, die sich gut kennen, wissen diese auch bereits mit drei Jahren von sich aus, womit die Freundin oder der Freund gerne spielt. Also, einfach fragen, was sie gerne schenken möchten. So erfahren bereits junge Freundschaften eine persönliche Note. (Katharina Weiner, 23.9.2018)

Katharina Weiner ist Familienberaterin, Coach und arbeitet als Trainerin in der Elternbildung. Die Mutter einer Tochter leitet das Jesper-Juul-Familylab in Österreich.
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