Die Finanzierung der Pflege ist zum zentralen Thema der Gesellschaft geworden – sie hängt aber noch immer in der Luft.

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Spätestens mit der Abschaffung des Vermögenszugriffs bei der Pflege (Pflegeregress) zu Jahresbeginn 2018 ist die schon bisher nicht berauschende Nachfrage nach privaten Pflegeversicherungen weiter zurückgegangen, sagt Peter Eichler, Uniqa-Vorstandsmitglied für Personenversicherungen. Damit ist die Pflegevorsorge quasi ein Akutpatient.

Man müsse etwas tun, wenngleich eine Patentlösung schwierig sei. "Das Thema ist unangenehm, und wenn es einen selbst oder die Eltern betrifft, ist es für eine Versicherung meistens zu spät", so Eichler. Was aber dringend notwendig wäre, seien staatliche Rahmenbedingungen für die künftige Finanzierung der Pflegekosten. "Der Staat erweckt den Eindruck, dass Pflege kein Thema privater Vorsorge ist." Und Manfred Rapf, Vorstandsmitglied der Wiener Städtischen Versicherung, warnt bereits: "Eine schmerzlose Form der Pflegefinanzierung wird es nicht geben."

"Höchst unattraktiv"

Was also tun? Aus der bisherigen Erfahrung habe man gelernt, dass eine rein private Pflegeversicherung mit Ansparphase und anschließender Zweckbindung für die Pflege "höchst unattraktiv" sei, so Eichler. Der Grund ist einfach: Die Versicherung ist teuer (weil die Kosten für Pflege sehr hoch sein können), und sie hat oft einen entscheidenden Nachteil: Wenn kein Pflegebedarf anfällt, werden die einbezahlten Prämien (im Unterschied zu einer Lebensversicherung) nicht ausbezahlt. Das heißt aus Sicht des Betroffenen und seiner Hinterbliebenen: Das Geld ist verloren.

Eichler plädiert im STANDARD-Gespräch daher für neue Wege bei der Pflegefinanzierung. Ziel sollte es sein, dass jeder Österreicher im Alter mehr finanzielle Mittel hat, um selbst zu seinen Pflegekosten beitragen zu können. Voraussetzung sei die staatliche Förderung einer privaten Vorsorge, die keine ausdrückliche Zweckwidmung für Pflegefinanzierung vorsieht, auf die aber im Pflegefall verpflichtend zurückgegriffen werden muss. Wird keine Pflege benötigt, könnte über die privat angesparte Zusatzpension frei verfügt werden.

Zuschuss oder Steuerzuckerl

Ein mögliches Modell könnte so aussehen: Geringverdiener erhalten eine staatliche Prämie (Negativsteuer), Besserverdiener eine steuerliche Absetzbarkeit ihrer Einzahlungen – um alle Einkommensschichten zu erwischen. Vorausgesetzt man wisse, dass die Pflege nicht auf Dauer über Sozialversicherungsbeiträge finanziert werden könne. Rapf plädiert für eine "möglichst gerechte Verteilung der Pflegekosten auf Staat, Unternehmen und Individuen".

Anders als bei einer expliziten Pflegeversicherung soll die Versicherungsleistung nicht abhängig von der Pflegegeldhöhe sein, sagt Eichler. Auch Rapf hält es für sinnvoll, das Geld aus der Pflegeversicherung als Ergänzung zum Pflegegeld auszubezahlen. Das Pflegeheim würde, so das Modell der Experten, weiterhin auf das Einkommen / die gesetzliche Pension und das Pflegegeld zugreifen, zusätzlich aber auch auf die privat erworbene Zusatzpension. Für den allenfalls verbleibenden Differenzbetrag auf die tatsächlichen Pflegekosten (ein Heimplatz kostet bis zu 6000 Euro monatlich) müsste weiter der Staat aufkommen, allerdings wären die Kosten für das Budget deutlich geringer.

Zweckwidmung der Zukunftsvorsorge

Ein möglicher Ansatz zur Stärkung der Pflegevorsorge wäre es, die prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge auf neue Beine zu stellen. In diesem Zusammenhang hält Eichler allerdings nicht nur die Entkopplung von Kapitalmarktzielen und Altersvorsorge für notwendig. Für ihn ist auch eine stärkere Zweckwidmung der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge vorstellbar.

Derzeit ist es ja so, dass die Hälfte der Förderung zurückbezahlt werden muss, wenn die Versicherungsleistung am Ende der Laufzeit zur Gänze ausbezahlt wird und keine monatliche Rentenzahlung erfolgt. Eichler: "Wenn das Geld nicht als laufende Zusatzpension verwendet wird, könnte auch die Rückzahlung der kompletten Förderung verlangt werden." Zudem sollte eine Übertragung der Zusatzpension auf Hinterbliebene ermöglicht werden.

Zusätzliche Bausteine

Überlegenswert wären zudem, Bausteine für Schicksalsschläge wie Berufsunfähigkeit etc. in die Vorsorge zu integrieren, wobei die Versicherung die Prämie im Ernstfall weiterbezahlt. Von einer Pflichtversicherung halten Eichler und Rapf nichts, hier sollte der Wettbewerb gewahrt bleiben.

Eichler und Rapf sind sich als Branchenvertreter weitgehend einig. Rapf plädiert ausgehend von der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge ("ein Produkt mit Konstruktionsfehlern") oder dem Bausparen für ein Pflegeprodukt dafür, "dass nachgefragt und vom Staat gefördert wird". Wie man beim Bausparen sehe, gehe es auch mit einer staatlichen Minimalförderung (aktuell 18 Euro pro Jahr). Rapf will eine Wahlmöglichkeit – der Staat könnte sagen: "Wir schaffen einen Förderrahmen mit einem maximalen Förderbeitrag pro Jahr, und der Kunde entscheidet selbst, in welchem Verhältnis er seine Prämie in eine Altersvorsorge und/oder eine Pflegeversicherung investiert." Bei der aktuellen Zukunftsvorsorge beträgt die höchstmögliche staatliche Prämie derzeit 120 Euro im Jahr.

Für Mindesteinkommen müsste auch künftig der Staat die Grundversorgung aus Steuermitteln sicherstellen. Rapf: "Jene, die es sich leisten können, sollen zusätzlich auch selbst vorsorgen, allerdings braucht es dafür staatliche Incentives, sonst wird das Produkt nicht angenommen." (Claudia Ruff, 22.9.2018)