Thomas Stangl (Name geändert) blickt zufrieden über seine Sonnenblumen. Gärtner sind gerade eingetroffen, neuer Rasen wird in seinem kleinen, aber idyllischen Reich gepflanzt. Es habe einen Grund, weswegen man sich ein Grundstück im Naherholungsgebiet leiste: "Es ist wunderschön." Seit mittlerweile 18 Jahren leben er und seine Frau in unmittelbarer Nähe zur Alten Donau.

Jetzt, Mitte September, hat für die beiden endlich der Sommer begonnen. Denn seit gut einer Woche hat das benachbarte Strandcafé, das direkt an der Uferpromenade Platz für 800 Menschen bietet, vorübergehend geschlossen. Dass es dazu kam, liegt an Nachbarn wie den Stangls, die sich gegen den Gastrobetrieb wehrten.

So machten Anrainer kürzlich erfolgreich juristisch geltend, dass durch – von dem Betreiber durchgeführte – Änderungen der Abgas- und Abluftöffnung an der Grillanlage mehr Nachbarn von Lärm und Rauch betroffen sind. Nun muss der Betreiber einen neuen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für die Änderung der Betriebsanlage stellen – der STANDARD berichtete – weshalb das Lokal vorläufig geschlossen hat.

Stärkere Nachverdichtung

Jetzt seien Rauch und Gestank verschwunden, meint Stangl. Zuvor sei an Lüften nicht mehr zu denken gewesen und die Vorhänge hätten nach Fleisch und Fisch gestunken.

Schon bevor die Stangls sich hier niederließen, wurden sie vor den Auswirkungen des Gastronomiebetriebs in der Nachbarschaft gewarnt. Das schreckte sie aber nicht ab: "Im alten Strandcafé war ich Kunde", sagt Stangl. Ihn stört vor allem die Größe des Betriebs: 300 Quadratmeter waren ursprünglich für diese Zwecke erlaubt. Über die Jahre wurde dank Ausnahmegenehmigungen immer mehr Fläche daraus.

Neben Geruchsentwicklung ist meistens Lärm jenes Konfliktfeld, das sich zwischen Wirten und ihren Anrainern auftut. "Die Problematiken sind in Wien in den letzten Jahren stärker geworden", sagt Christian Pichler, Referent für Raumplanung an der Arbeiterkammer Wien. Das liege einerseits daran, dass Menschen Belästigungen mitunter empfindlicher wahrnehmen – auch, weil sie mündiger geworden seien und es mehr Möglichkeiten gebe, Anliegen mitzuteilen. Andererseits komme es aufgrund des Bevölkerungswachstums zu einer starken Nachverdichtung: "Früher waren Nutzungskategorien stärker getrennt, heute ist das vermischter."

Nicht immer kommen Wirte und ihre Anrainer auf einen grünen Zweig. Auch nicht im Falle des temporär geschlossenen Strandcafés an der Alten Donau.
Foto: Ayham Yossef

Gerade in Hinblick auf die stärkere Verdichtung sei es notwendig, Regeln für das Zusammenleben einzuziehen. So seien etwa die derzeitigen Beschränkungen für Schanigärten – die meisten haben um 23 Uhr Sperrstunde – durchaus vernünftig.

"Es ist kompliziert"

Wenn es schön ist, sitzen bis zu 50 Leute im Schanigarten des Lokals von Maria Mayr, dem Polkadot im achten Bezirk. Bewohner aus Nachbarhäusern hätten ihr schon öfter die Polizei geschickt, berichtet die Gastronomin, die auch das Lokal Avalon betreibt. "Es ist kompliziert. Leute wollen gerne draußen sein und Lokale in der Nähe haben. Aber die Auswirkungen davon wollen sie nicht."

Das Polkadot liegt im Souterrain. Als Betreiberin sieht Mayr nicht immer, wer sich vor ihrem Lokal aufhält und laut ist – Beschwerden gehen trotzdem an sie, etwaige Strafen auch. "Ich verstehe nicht, wieso ich dafür gerade stehen muss, wenn draußen Lärm gemacht wird", sagt sie. "Die Leute sind ja mündige Menschen, sie sollten die Strafen selbst zahlen. Wenn ich spazieren gehe und herumbrülle, muss ich auch die Konsequenzen tragen."

3530 aufrechte Schanigartenbewilligungen gab es im Jahr 2017 in Wien. Hält man sich nicht an die bewilligte Größe, müssen bis zu 21.000 Euro Strafe gezahlt werden. Wird die Sperrstunde überschritten, werden bis zu 3600 Euro fällig. Die Zumutbarkeit einer etwaigen Rauchentwicklung wird im Einzelfall behördlich geprüft und hängt von mehreren Faktoren ab: der Umgebungssituation, der Entfernung der nächsten Nachbarn sowie der Art des Rauches.

Racheakte und Drohungen

Im Falle des Strandcafés an der Alten Donau ist der Geruch des Rauches für Evelyn Heinrich vor allem eines: beißend und fettig. 2015 ist Heinrich – sie wohnt ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt – in ein Reihenhaus gezogen. "Ich bin in der Nähe einer Mülldeponie aufgewachsen. Eigentlich dachte ich, dass ich danach nie mehr so eine Geruchsbelästigung aushalten muss", sagt die Juristin, die auch gesundheitliche Schäden befürchtet.

Wie auch Stangl engagiert sich Heinrich in einer Bürgerinitiative gegen das Strandcafé. Wie verhärtet die Fronten zwischen Betrieb und Anrainern sind, zeigt unter anderem, dass viele nur anonym Auskunft geben möchten. Man hört von zerkratzten Autos als Racheakt und von Klageandrohungen.

Eine Bürgerinitiative ist nicht begeistert von den Dimensionen, die das Strandcafé angenommen hat.
Foto: Ayham Yossef

Gegenüber dem STANDARD machen viele Nachbarn jedenfalls klar, dass sie nichts gegen einen Gastronomiebetrieb per se hätten. So auch Martin Bandera, Präsident jenes Ruderclubs, der genau neben dem Strandcafé stationiert ist. "Nach dem Sport setzen wir uns gerne noch auf ein Getränk zusammen. Das gehört dazu", sagt der hauptberufliche Rauchfangkehrer vor dem nun leeren Strandcafé. "Aber das machen wir nicht mehr, aus Trotz."

Die stark steigenden Grund- und Bodenpreise führen zu einer stärkeren Nutzenmaximierung aufseiten von Betrieben und Bauträgern, sagt Pichler von der Arbeiterkammer. Manchmal könne man Befürchtungen von Anrainern durch Einbindung im Vorfeld von Projekten zumindest teilweise abschwächen, wenn auch nicht gänzlich ausräumen. "Das Recht auf Kultur und jenes auf Erholung stehen gleichberechtigt nebeneinander", betont Pichler.

Konfrontiert mit der Frage, ob man in der Stadt einfach damit leben müsse, dass es lauter sei und manchmal stinke, antwortet Pichler mit einer Gegenfrage: "Muss ich es am Land aushalten, wenn es kein Kulturangebot gibt?" (Lara Hagen, Vanessa Gaigg, 22.9.2018)