Szeged – Im Berufungsgericht der südungarischen Stadt Szeged ist am Donnerstag das rechtskräftige Urteil im Fall des wegen Steinwürfen gegen Polizisten belangten Syrers Ahmed H. ergangen. Die Richter hielten die erstinstanzliche Verurteilung wegen Terrorismus aufrecht, reduzierten aber das Strafmaß von sieben auf fünf Jahre. Verbüßen muss sie der 41-Jährige auch nicht im Zuchthaus, wie es das Ersturteil verfügte, sondern im normalen Strafvollzug.

Das Berufungsurteil hielt weiter fest, dass der Verurteilte bei guter Führung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe vorzeitig entlassen werden kann. Da Ahmed H. inzwischen drei Jahre in Untersuchungshaft gesessen hat, könnte er in vier Monaten wieder ein freier Mann sein.

Der Syrer hatte zuvor schon etliche Jahre legal in Zypern gelebt. Während der großen Flüchtlingswanderungen im Sommer und Herbst 2015 begleitete er seine Eltern, die vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat flohen. Mit hunderten anderen Flüchtlingen erreichte die Gruppe im September 2015 die ungarisch-serbische Grenze just an jenem Tag, an dem die Ungarn mit ihrem Grenzzaun fertig geworden waren. Die Menschenmenge staute sich am Grenzübergang Röszke auf. Bald geriet die Lage außer Kontrolle. Auch Ahmed H. warf einige Steine gegen die in voller Kampfmontur angetretenen Polizisten.

Umstrittene Terroranklage

Mit dem Urteil vom Donnerstag fand eine jahrelange juristische Odyssee ihren Abschluss. In einem ersten, sehr einseitigen Prozess erhielt der Syrer sogar zehn Jahre Zuchthaus. Dieses Urteil hob das Berufungsgericht in Szeged wegen offensichtlicher Verfahrensmängel auf. Am Donnerstag korrigierte es das erstinstanzliche Urteil des neuen Verfahrens. Umstritten war von Anfang an die Terroranklage. Im Fall Ahmed H. stand die Justiz unter enormem Erwartungsdruck der Politik, den Vorverurteilungen in den regierungskontrollierten Medien aufgebaut hatten.

Insofern zog sich der Berufungssenat salomonisch aus der Affäre. Der Terrorvorwurf blieb, aber der Verurteilte kommt bald frei. Péter Bárándy, der Anwalt des Verurteilten, argumentierte im Verfahren vergeblich dagegen, dass Steinwürfe nicht dazu angetan seien, die Führung einer Behörde wie der Polizei dazu zu zwingen, dass sie ihre Entscheidung, die Grenze zu schließen, revidiert – erst wenn dem so gewesen wäre, hätte dies die Definition des Terrortatbestands im ungarischen Strafrecht erfüllt. Mit dem finalen Urteil können er und sein Mandant gut leben, sagte er nach der Verkündung dem STANDARD. "Mein Mandant hat sich durchaus eines schweren Vergehens schuldig gemacht. Aber es war Gewalt gegen Amtspersonen, nicht Terrorismus." (gma, 20.9.2018)