Aus aktuellem Anlass holen wir noch einmal unsere Recherche von September 2018 aus dem Archiv: Strache berichtet in veröffentlichten Videoausschnitten, dass "ein paar sehr Vermögende" im Wahlkampf – im Oktober 2017 wurde der Nationalrat gewählt – zwischen 500.000 und zwei Mio. Euro über einen gemeinnützigen Verein an die FPÖ bezahlen würden, ohne dass dies dem Rechnungshof gemeldet würde. Strache nennt u.a. Waffenproduzent Gaston Glock, die Milliardärin Heidi Goess-Horten, den Unternehmer Rene Benko sowie den Glücksspielkonzern Novomatic. Alle vier dementierten umgehend, dass sie an die FPÖ gespendet hätten.

Zweimal im Jahr lassen Kathrin und Gaston Glock am Ortsrand einer kleinen Kärntner Gemeinde Hackschnitzel auswerfen. Der rote Teppich wird ausgerollt, eine riesige, weiße Halle hochgezogen, dann ist "Horses & Stars".

Chuck Norris, Wesley Snipes, Naomi Campbell, Kate Moss, Dieter Bohlen und andere – wenn das Ehepaar Glock sein exklusives Springreitturnier in Treffen am Ossiacher See veranstaltet, kommen Prominente aus aller Welt angeflogen. Tagsüber messen sich "die besten Reiter der Welt", so die Veranstalter. Olympiasieger sind am Start, mehr als 600.000 Euro Preisgelder insgesamt ausgelobt. So weit zum sportlichen und öffentlichen Teil der Veranstaltung.

Abends liefert Robbie Williams das musikalische Rahmenprogramm in der "Rider’s Lounge", einem abgeschirmten VIP -Bereich. Fernsehkoch Alfons Schuhbeck sorgt für das leibliche Wohl, Stylisten stehen für den richtigen Look bereit, und Zigarren, die werden auf Wunsch von Hand gerollt. 450 Euro kostet das Abend-, 700 Euro das Tagesticket. Doch Geld ist hier zweitrangig, wesentlicher ist die Frage, wer hineinkommt.

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Chuck Norris, prominenter Gast beim Springreitturnier der Glocks in Kärnten, hier im Film "Delta Force 2", mit Pistole: Tuchfühlung mit Hollywood ist Teil des Firmenerfolgs. Der andere Teil sind gute politische Kontakte.
Foto: picturedesk.com / Interfoto / NG Collection

Wer eine Karte kaufen darf, entscheidet der Veranstalter, die Glock Horse Performance Center GmbH, kurz GHPC. Eigentümer ist Waffenproduzent Gaston Glock (89). Seit 2010 führt Kathrin, seine zweite Ehefrau, mit ihm die Geschäfte von GHPC.

Das Pferdesportzentrum ist ihr erster Job in leitender Funktion im Glock-Konzern. Seit ihrer Hochzeit mit dem um 52 Jahre älteren Gaston Glock ging es für die Kärntnerin steil bergauf. Heute leitet sie sechs Tochterunternehmen der Gruppe, engagiert sich als Tierschützerin und überreicht medienwirksam Spendenschecks.

Gemeinsam mit ihrem Mann bestimmt die heute 37-jährige Kärntnerin, wer an ihrem Tisch, oben auf dem Indoor-Balkon, angeblich hinter schusssicherem Glas, sitzen darf. Schauspieler, Models, Künstler. Stolz werden sie im Programmheft aufgezählt, eine Sorte Promi sucht man aber vergeblich: Politiker. Dabei kamen jüngst sogar Mitglieder der österreichischen Bundesregierung.

Anfang Juni 2018 reisten Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) mit Ehefrau Philippa und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) aus Wien an, um mit Familie Glock zu feiern. Im Februar 2018 war Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) Gast der Glocks.

Privatsache

Wie üblich berichteten Zeitungen über das Event. Doch kein Foto, kein Bericht zeugt davon, dass Vizekanzler, Sozialministerin und Verkehrsminister mit der Runde des Waffenindustriellen Gaston Glock dinierten.

Was nach außen geht und wie, bestimmen die Gastgeber. An jeder Tür und Ecke steht ein Security-Mann. Fotografen haben keinen Zutritt zum VIP-Bereich, der Veranstalter stellt danach Fotos zur Verfügung. Über den Besuch der FPÖ-Regierungsmitglieder sprechen alle Beteiligten heute nicht gern. Privatsache, sagen sie.

"Sämtliche Rechnungen, inklusive Übernachtung im Hotel, wurden privat bezahlt", sagt Strache-Sprecher Karl-Heinz Grünsteidl. Und: "Kopien erhalten Sie noch." Bis Redaktionsschluss, drei Wochen nach der ersten Anfrage um Belege, langten diese nicht ein. Die anderen beiden Regierungsmitglieder der FPÖ, die der Einladung der Glocks folgten, lehnen es ab, Rechnungen vorzulegen.

Die Frage, wer bezahlt hat, ist deswegen relevant, weil Amtsträger besonderen strafrechtlichen Bestimmungen unterliegen: Sie dürfen sich beispielsweise nicht einladen und dadurch in einer Amtshandlung beeinflussen lassen. In diesen Fällen betonen die beteiligten Politiker allerdings, nicht als Amtsträger, sondern privat unterwegs gewesen zu sein. Diese Grenze ist allerdings schwer zu ziehen, wie auch eine Stellungnahme des Sprechers von Hartinger-Klein zeigt.

Tierschutz und Waffen

Er räumt ein, dass der Besuch der Ministerin nicht reines Privatvergnügen war: "Als Tierschutzministerin hatte Hartinger-Klein ein Gespräch mit Frau Glock, da diese sich sehr für den Tierschutz engagiert." Tierschutz ist aber nur eines der Themen, die die Anwesenden unter dem Dach des Ehepaars Glock vereinten.

Das zweite sind Waffen. Dass der Event mit Millionen aus dem Waffengeschäft finanziert wird, wird vor dem Eingang zum VIP-Bereich klar. Hier steht das Abbild dessen, das alles möglich macht: eine mannshohe Plastik-Glock.

Seit Jahren betreibt die FPÖ, milde gesagt, waffenfreundliche Politik. Inhaltlich, wenn es um lockere Waffengesetze in Österreich und in der EU geht. Und zur Show, etwa als Hofer mitten im Wahlkampf um das Präsidentenamt im März 2016 verkündete, sich eine Glock 26 zugelegt zu haben – und damit internationale Schlagzeilen machte. "Der Mann mit der Glock" titelte die deutsche Zeit daraufhin.

Der Hofer war’s

Die Verbindungen zwischen der FPÖ und Glock reichen bis in die Ära von Jörg Haider zurück: Im Jahr 2000 fliegt Haider mit Gaston Glock in dessen Privatjet nach Moskau, um Verhandlungen zum Ankauf von Abfangjägern zu führen – die Öffentlichkeit sollte davon nichts erfahren. Wegbegleiter berichten von einer persönlichen Freundschaft und regelmäßigen Treffen der beiden Männer.

Unter der schwarz-orangen Koalition bekommt Gaston Glock auch einen öffentlichen Posten, er wird in den Aufsichtsrat der Luftfahrtbehörde Austro Control berufen. Im April 2018 ist es Kathrin Glock, die nun unter Türkis-Blau Aufsichtsrätin der Austro Control wird. Dank Verkehrsminister Hofer, der zwei Monate zuvor, im Februar 2018, noch bei ihrem Springreitturnier in Treffen am Ossiacher See zu Gast war.

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Eine Glock für die ganze Familie: Waffenmesse in Louisville, Kentucky.
Foto: Getty Images / Scott Olson

Hofers Sprecher nennt es einen "Charity-Event für die Tierschutzaktivitäten von Kathrin Glock". Der Minister habe alles privat bezahlt. Mit der Bestellung von Kathrin Glock habe sein Besuch in Kärnten nichts zu tun. "Die Wahl fiel auf Kathrin Glock, weil sie als Geschäftsführerin der Glock Aviation GmbH Einblick in die Materie hat", schreibt Hofers Sprecher.

Doch das ist erst seit kurzem der Fall. Kathrin Glock ist tatsächlich Geschäftsführerin der Glock Aviation, über die Gaston Glock heute von Klagenfurt aus drei Bombardier-Privatjets und einen Helikopter betreibt. Am 7. September 2017 wurde sie einem zweiten Geschäftsführer zur Seite gestellt, der die Firma schon seit Jahren führt.

Verschärfte Waffenrichtlinie der EU

Neben Kathrin Glocks Bestellung hat die FPÖ aktuell noch andere Themen auf der Agenda, die Waffenproduzenten und Waffenhändler betreffen.

Im März 2017 wurde in der EU eine verschärfte Waffenrichtlinie beschlossen. Sie verpflichtet Hersteller zum Beispiel, essenzielle Bestandteile von Waffen zu kennzeichnen, um sie besser nachverfolgen zu können; halbautomatische Kurzwaffen mit Magazinen mit mehr als 20 Schuss werden verboten. Seit 14. September 2018 sollte die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt sein – bisher ist das in Österreich nicht passiert.

Glock wird von der Richtlinie in mehreren Punkten berührt. Das Unternehmen fertigt etwa Pistolen mit 30-Schuss-Magazinen an.

Von Brüssel bis Wien stellten sich die Freiheitlichen gegen die EU-Regelung, etwa FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky, der die Waffenrichtlinie bei einer Pressekonferenz als "Falle" bezeichnete, die "nur Nachteile bringt". Stattdessen forderte Vilimsky weniger Beschränkungen, auch zur "Belebung des Waffenhandels".

Plötzlich bremst die ÖVP

Die intensiven Verhandlungen über die Umsetzung des EU-Gesetzes laufen innerhalb der Regierung seit dem Sommer. In Zeiten der rot-schwarzen Koalition war es die ÖVP, die auf liberalere Regelungen im Waffenrecht gedrängt hat.

Nun sei es umgekehrt, erzählt ein in die Debatte involvierter Interessenvertreter: Die ÖVP stehe auf der Bremse und wolle nicht als Pro-Waffen-Partei rüberkommen, während sich die FPÖ für Waffenhersteller, -Händler und Schützen starkmache.

Zuständig sind das freiheitlich geführte Innenministerium und auf ÖVP-Seite das Bundeskanzleramt. Die Rede ist von groben Differenzen zwischen ihnen. Die Waffenlobbyisten freuen sich offen dar über, dass man sich in dieser Debatte Gehör bei der FPÖ verschafft habe.

So wurde der Verein Interessengemeinschaft liberales Waffenrecht (IWÖ) "voll in den Gesetzwerdungsprozess" einbezogen, heißt es auf dessen Website. Der Vereinsvorstand wurde ins Innenministerium eingeladen. "Was wir mitkriegen, ist, dass der Vorschlag der FPÖ in der Koalition blockiert wird", sagt IWÖ-Chef Andreas Rippel dazu. Er hofft, dass das Waffengesetz im Zuge der Umsetzung der Waffenrichtlinie an anderer Stelle entschärft wird – etwa durch eine Liberalisierung bei der Ausstellung von Waffenpässen.

Gaston Glock, Produzent der begehrten Pistole, gibt sich selbst bei öffentlichen Auftritten medienscheu.
Foto: Gert Eggenberger

Ein anderes Vorhaben der Regierung ist für Glock ungleich relevanter: die Reform der Exportkontrolle für Waffen samt Bündelung aller Kompetenzen in einer Stelle. Bislang sind mitunter vier Ressorts mit der Genehmigung von Exporten von Waffen und Kriegsmaterial befasst: das Wirtschaft-, Innen-, Außen- und Verteidigungsministerium.

Will Glock zum Beispiel Pistolen exportieren, muss ein Antrag an das Wirtschaftsministerium gestellt werden. Dieses holt bei Bedarf Stellungnahmen ein: des Außenministeriums, das zum Beispiel die Achtung des humanitären Völkerrechts im Zielland prüft, und des Verteidigungsministeriums, das prüft, ob die exportierten Waffen zu einer Gefahr für österreichische Soldaten im Ausland werden könnten.

Künftig könnte die gesamte Exportkontrolle für Waffen ins derzeit FPÖ-geführte Verteidigungsministerium wandern. Laut Dossier-Informationen scheinen die Vorarbeiten dafür bereits zu laufen – eine endgültige Entscheidung ist aber noch nicht gefallen.

Lägen die Waffenkontrollkompetenzen in Zukunft tatsächlich im Verteidigungsressort, könnte das zu einer De-facto-Lockerung führen. "Offiziere und Generäle tun sich mit Waffenexporten leichter als Diplomaten", sagt ein ehemaliges Regierungsmitglied.

Doch über all das – die Bestellung von Kathrin Glock in den Austro-Control-Aufsichtsrat, die Umsetzung der Waffenrichtlinie, die Reform des Waffenexports – wurde beim Springreitturnier der Glocks in Treffen nie gesprochen, so die Sprecher des Vizekanzlers, des Verkehrsministers und der Sozialministerin. Glocks Medienanwalt dazu: "Meine Mandanten haben zu keinem Zeitpunkt eine politische Einflussnahme ausgeübt." (Georg Eckelsberger, Eja Kapeller, Florian Peschl, Peter Sim, Florian Skrabal, András Szigetvari, Sahel Zarinfard, 22.9.2018)