Wer sich 1.600 Gäste lädt, muss schon was zum Feiern haben. Es ging aber nicht um einen neuen Audi-Chef, das wurde erst einmal vertagt. Nein, man wollte den E-Mobilitäts-Enthusiasten in Kalifornien zeigen: Hallo, wir sind jetzt da und aber so was von startbereit.

Eine Vielzahl von LED-beleuchteten Drohnen zauberte das Audi-Logo in den Himmel.
Foto: Audi

Ausgerechnet in einer einstigen Ford-Produktionsstätte, dem Craneway in Richmond, ging die e-tron-Weltpremiere über die Bühne. Audi, Audi! (lateinisch für: Horch, horch!) Der Reihe nach traten auf: Audi-Interimschef Bram Schot, Chefdesigner Marc Lichte, Audi-USA-Präsident Scott Keogh. Aus den Wortmeldungen greifen wir ebenso repräsentativ wie ergriffen zwei von Schot heraus: "Es ist natürlich nicht das erste Elektroauto der Welt. ... Aber das beste, das man kaufen kann." "Die Dinge richtig machen, wenn die Zeit reif ist." Danach gab es nur noch eines: Party. In Taubstummenlautstärke.

Fescher Kampl

Akustisch ist der e-tron die genaue Antithese, er fährt lautlos; na ja, fast. Optisch ist er ein fescher Kampl. Wenn auch nicht gerade unerwartet oder überraschend designt. Lichte hat sich Mühe gegeben, Schlankheit, Leichtigkeit zu illusionieren. Der markante hellgraue Grill wird übrigens alle künftigen Audi-Vollelektriker als solche erkennbar machen.

Der interimistische Audi-Chef Bram Schot bei der Weltpremiere des e-tron im Craneway, einem ehemaligen Ford-Werk in Richmond. Volle Hütte ist gar kein Ausdruck.
Foto: Audi

Und das geht jetzt Schlag auf Schlag: Kaum hat Mercedes seine Vorstellung vom Einstieg ins batterieelektrische Zeitalter, den EQC, ins Rampenlicht geschoben – der Sternträger kommt Mitte 2018 auf den Markt -, schon macht Audi ein ähnliches Tamtam, um den Slogan "Vorsprung durch Technik" wieder einmal halbwegs plausibel unters Volk zu bringen.

Vor der eingangs geschilderten abendlichen Weltpremiere konnte man sich einen ganzen Tag lang in verschiedenen Workshops und Einzelgesprächen an etlichen technischen Stationen schlaumachen (siehe unten).

Am markanten hellgrauen Grill wird man künftig die E-Autos von Audi erkennen.
Foto: Audi

Audi geht das Thema demnach in gewohnter Gründlichkeit an. Gebaut wird der Vorläufer zahlreicher Batterieelektriker in Brüssel, wo bei laufender A1-Fertigung für den e-tron eine neue Produktionslinie geschaffen wurde; auch die Lithium-Ionen-Batterie läuft hier vom Band. In den Standort wurden über 600 Mio. Euro investiert. Weiters definiert Audi den E-Motor als Kernkompetenz, eine entsprechende Fertigung wurde soeben im ungarischen Motorenwerk in Raab (Györ) hochgezogen, mit 80 neuen Arbeitsplätzen. In der jetzigen ersten Entwicklungsstufe bauen 150 Mitarbeiter 400 Motoren täglich – für 200 e-trons täglich in Brüssel.

Quattro im Elektrozeitalter

Von den beiden E-Motoren leistet der vordere 125 kW (170 PS), der hintere 140 (190 PS), der Allrad ist folglich hecklastig ausgelegt. Dies und die im Unterboden verbaute, rund 700 kg schwere, aufwendig gekühlte Batterie verhelfen dem Elektro-SUV zu einer geradezu idealen Achslastverteilung von annähernd 50:50.

Der Innenraum des e-tron.
Foto: Audi

Das lässt auf solide Fahrleistungen schließen, wenngleich all diese E-Mobile der schweren Batterien wegen alles andere als Leichtgewichte sind. Der Audi bringt bei 4,90 m Länge knappe 2500 kg auf die Waage, der EQC (4,76 m) 2425, der Jaguar I-Pace (4,68 m) 2208, Teslas Model X (5,04 m) 2400. Dabei gehen sich für den e-tron noch 1800 kg Anhängelast aus.

Hurtig

Um der Masse so souverän Herr zu werden, wie man es von einem deutschen Fahrwerk erwartet, ist eine adaptive Luftfederung an Bord, die die Bodenfreiheit um 76 mm variieren kann. Rauf, runter – wie es euch gefällt. Tempomäßig rauf auf 100 Sachen geht es übrigens in 5,7 Sekunden, also hurtig.

Das rote Leuchtband am Heck ist jetzt der letzte Schrei.
Foto: Audi

Auch aerodynamisch hat Audi enormen Aufwand betrieben, bis hin zu ausgefuchsten winzigen virtuellen Außenspiegeln – kleine Kamera draußen, drinnen Bilder auf OLED-Displays. So erzielt der e-tron einen beachtlich geringen Luftwiderstandswert von 0,27.

Batterie, Reichweite, Ladedauer? Der e-tron toppt mit 95 kWh die Hauptgegner EQC (80) und I-Pace (90), die Reichweite von über 400 km (WLTP) wird einen im wirklichen Leben mindestens 300 km voranbringen, womit sich erneut feststellen lässt, dass die Elektromobilität in der Alltagstauglichkeit angekommen ist.

Für 300 Kilometer wird die Ladung im e-tron nun mindestens reichen.
Foto: Audi

Und wie lange dauert es, bis der verfahrene Saft wieder drin ist? Eine halbe Stunde. Wenn man mit 150 kW gleichströmend Energie reinbläst. Oder achteinhalb Stunden bei 11 kW Wechselstromladen. Noch für 2019 kündigt Audi auch ein optionales Ladesystem mit 22 kW an. Und beim Laden mit Haushaltsstrom kaufen Sie sich vorher besser ein gutes Buch. (Andreas Stockinger, 21.9.2018)