Für Aufregung sorgte am Tag nach dem informellen EU-Gipfel in Salzburg ein Artikel in dem Magazin "Politico", der die Organisation des Gipfels als einziges Durcheinander bezeichnete. Der "Rocky Mountain summit" sei sowohl inhaltlich als auch organisatorisch eine Katastrophe gewesen.

Auch der EU-Korrespondent der ARD übte Kritik am Gipfelmanagement.

Das Medienzentrum zu klein, technische Probleme, die Räume stickig und scherbenübersät, das Fingerfood zu fettig; den unterschiedlichen Botschaftern seien außerdem keine eigenen Räume zur Verfügung gestanden: So mokierten sich die beiden Autoren und taten ihre Enttäuschung kund, was die Erwartungen an das gipfelerfahrene Österreich betrifft. Auch zitierten sie einen Diplomaten, der den Gipfel als "sehr schlecht organisiert" bezeichnet. Mit dem ungerechtfertigten Fokus auf das Thema Migration habe die österreichische Ratspräsidentschaft den Bogen überspannt – anstatt den Fokus auf den Brexit zu legen.

Es sei zugegangen "wie auf einer griechischen Hochzeit", kritisiert "Politico". Visuell erinnerte der Salzburger Gipfel einige hingegen an einen James-Bond-Film.

Es sei zugegangen "wie auf einer griechischen Hochzeit" beziehungsweise wie "in einer Sauna", schreibt "Politico". Die Sicherheitsbeamten hätten beim Zugang sogar die Schminktiegelchen der TV-Teams kontrolliert – ganz anders als bei den letzten vier Gipfeln in Sofia, Bratislava, Tallinn und Valletta.

Polemik

Gerade mit diesem Hinweis auf diese anderen EU-Gipfel legten die "Politico"-Schreiber aber selber den Hinweis, dass es ihnen offenbar weniger um eine nüchterne Betrachtung des Salzburg-Gipfels als um eine Polemik ging, weil aus ihrer Sicht wohl die "falsche" Themensetzung erfolgte. In Bratislava im September 2016 fand das Treffen in einer schmucklosen Messehalle statt. Die Journalisten mussten zu Fuß in ein etwa fünf Kilometer vom Zentrum entferntes Pressezentrum gehen, wo es nichts zu essen gab.

Nicht viel besser war es in Sofia im Mai: Dort gipfelte man im Betonbunker aus kommunistischen Zeiten des Diktators Schifkow. Das Essen war, na ja, sandwichmäßig, die Internetverbindungen mau. In Valletta war die Location – wie in Salzburg – großartig, im Präsidentenpalast der früheren Johanniterherren, wobei die Journalisten in eher bescheidenen, engen Gewölben ihrer Arbeit nachgehen mussten. Aber der stete Blick aufs Meer, die Sonne, die familiäre Atmosphäre entschädigten für manche professionelle Hürden.

Arbeitsorte zu Fuß erreichbar

DER STANDARD hat alle von "Politico" genannten EU-Gipfel und noch viele mehr in der Vergangenheit selber wahrgenommen. Eine Befragung unter Journalistenkollegen und in den Delegationen zu Salzburg ergab denn auch ein etwas anderes Bild: Durch die Bank waren die Kollegen sehr erstaunt darüber, wie dezent die Sicherheitsmaßnahmen ausfielen. Es kommt in Zeiten von Terroranschlägen nicht mehr so oft vor, dass EU-Gipfel mitten in einer schönen Stadt stattfinden, man zu Fuß praktisch alle Arbeitsorte in zehn Minuten erreichen kann.

Das Zweite, was den Teilnehmern offenbar Freude machte – trotz der notorischen Hitze, die Mitteleuropa seit Monaten plagt –, waren die Räumlichkeiten des Mozarteums, die man für die internationalen Gäste freigemacht hatte. Die Staats- und Regierungschefs tagten nur wenige Meter von den Journalisten entfernt, man konnte leicht und schnell Kontakt aufnehmen.

Technische Probleme

Nun muss man nicht gleich so euphorisch urteilen wie Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der in seiner Abschlusspressekonferenz "eine Liebeserklärung an Salzburg" absetzte, von einem inhaltlich und atmosphärisch positiven Gipfel sprach, "umsichtig vorbereitet". Die Vorschläge der Kommission zu Migration und Frontex seien "bei allen Regierungschefs auf positive Zustimmung gestoßen". Ratspräsident Donald Tusk sprach von dem Gipfel als "einer der großartigsten Leistungen, die ich erleben durfte". Aber über Salzburg darf man sagen: Die Gastfreundschaft stimmte, als Veranstaltungsort von EU-Gipfeln darf sich die Stadt in die oberen zwanzig Prozent einreihen.

Das Medienzentrum war, verglichen mit so manchen stickigen Kongresszentren, sehr ansprechend, mag ebenerdig voll gewesen sein, es gab jedoch genügend Ausweichmöglichkeiten und zusätzliche Räume, die fast leer blieben. Und ja, einem Kellner fiel ein Tablett aus der Hand, und es gab neben warmen Buffets auch Fingerfood. Das einzige ernstere Problem war der Ausfall der Tonanlage während des Pressetermins der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, dem diese mit Humor begegnete und der behoben werden konnte. An einen Gipfel ohne kleinere und größere technische Pannen wird sich aber kaum ein Journalist erinnern.

Kaum Fortschritte zu erzielen

Nun zum Relevanten, den Inhalten: Was die Kritik an der Themensetzung betrifft, ist sie bis zu einem gewissen Grad gerechtfertigt. Der thematische Schwerpunkt auf Migration ist ein Fokus, der während der österreichischen Präsidentschaft alle anderen, ebenfalls relevanten Themen wie beispielsweise das EU-Budget und den Kampf gegen Cyberterrorismus überlagert. Fortschritte sind dabei kaum zu erzielen. Aber das liegt eben nicht an der österreichischen Ratspräsidentschaft, sondern an dem, was die 28 Staats- und Regierungschefs im Juni beschlossen haben: dass Sicherheit und Migration die Hauptthemen beim Salzburg-Gipfel sein sollten. Es lag also nicht an Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der gerne so tut, als sei er der eigentliche Ratspräsident, dass in Salzburg diskutiert wurde, was auf der Tagesordnung stand. Diese wird immer noch vom Ständigen Ratspräsidenten Donald Tusk gemacht. Kurz ist so etwas wie sein Co-Präsident, nicht mehr, nicht weniger.

Und schließlich zum Brexit: Dieses Thema stand ursprünglich überhaupt nicht auf der Tagesordnung. Die britische Premierministerin Theresa May hat durchgedrückt, dass sie beim Abendessen in der Felsenreitschule vortragen kann, was sie nun wirklich tun möchte. Das wurde ihr gewährt. Allerdings zeigten sich viele Teilnehmer eher enttäuscht von ihren Ausführungen, denn sie wiederholte mehr oder weniger nur, was aus London seit Monaten kommt. May wäre am Zug, aber sie macht keine Vorschläge.

Ein für London hartes Ergebnis gibt es zum Thema EU-Austritt allerdings: Die EU-27 haben, wie schon oft seit 2016, erneut demonstriert, dass sie sich von den Briten nicht auseinanderdividieren lassen wollen. Am 18. Oktober muss beim EU-Gipfel in Brüssel die Entscheidung fallen, ob man sich im Kompromiss einigt oder ob das Vereinigte Königreich in einen Chaos-Brexit schlittert. London muss sich entscheiden, denn "es kann nicht der Schwanz mit dem Hund wedeln", wie ein Vertreter der EU-27 sagte. May sei nicht diejenige, die Bedingungen stellen könne, denn es trete nicht die EU aus Großbritannien aus, sondern umgekehrt. (Thomas Mayer, Manuela Honsig-Erlenburg, 21.9.2018)