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Romy Schneider – wie man sie schließlich doch nicht sehen konnte: Henri-Georges Clouzots "L'enfer" wurde zu einem der faszinierendsten Torsi der Filmgeschichte.

Foto: LOBSTER FILMS / Mary Evans / picturedesk.com

Boissy-sans-Avoir "David et Romy" steht auf dem Grabstein in Boissy-sans-Avoir, einem Dorf, rund 35 Kilometer außerhalb von Paris. Die 1982 verstorbene Mutter und ihr Sohn, der nur ein Jahr davor beim Versuch, über einen Zaun zu klettern, auf tragische Weise ums Leben kam. Boissy wurde deshalb zur letzten Ruhestätte, weil sich Schneider dorthin zurückziehen wollte. "Hier will ich mich um meine Tochter kümmern, hier will ich Konfitüre einkochen, unter den Bäumen spazieren gehen, endlich richtig leben."

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Eltern Romy Schneider verdankte ihr Filmdebüt ihrer Mutter: Die Schauspielerin Magda Schneider schlug die 14-Jährige für die Rolle der vom Vater zurückgelassenen Filmtochter Evchen Forster in Wenn der weiße Flieder wieder blüht (1953) vor. Auch in allen Sissi-Filmen ist Magda Schneider als Mutter der bald erfolgreicheren Tochter zu sehen. Während es im Debütfilm ein harmonisches Arrangement mit Ersatz- und leiblichem Vater gibt, sorgte Romy Schneiders Abkehr vom Sissi-Erfolg im echten Leben für Spannungen mit Stiefvater und Manager Hans Herbert Blatzheim. Aus dem "Daddy" wurde der "zweite Mann meiner Mutter". Eine kolportierte Nähe Magda Schneiders zu Hitler wurde von Angehörigen zum Teil erfolgreich juristisch bestritten, von Tochter Romy in einem posthum veröffentlichten Interview bekräftigt. Mit dem leiblichen Vater, Wolf Albach-Retty, in der NS-Zeit in Liebes- und Musikfilmen höchst erfolgreich, stand Romy Schneider ein einziges Mal vor der Kamera, nachdem sie ihm eine Nebenrolle in Otto Premingers Der Kardinal (1963) verschafft hatte.

Gesicht Drei Tage lang traf Hans-Jürgen Syberberg im Jahr 1967 in Kitzbühel mit Romy Schneider zusammen. Das Ergebnis war Romy – Portrait eines Gesichts: in der vom Regisseur autorisierten Fassung erst 30 Jahre später zu sehen, weil Harry Meyen, damals Schneiders Ehemann, ihre Darstellung als zu "trübsinnig" empfand und Schnitte einforderte. Das wiederum ließ Syberberg nicht zu. Aus heutiger Sicht ist das Porträt der damals 27-Jährigen eines der wahrhaftigsten Dokumente der stets an sich zweifelnden Schauspielerin. Sie gibt viel über sich preis ("Ich will einfach weg, weg, weg. Von diesem ganzen Getue, von diesem ganzen Theater"), aber ganz ohne Härte, nicht nur ihre Stimme umschmeichelt einen. Die beste Idee Syberbergs ist es, auf Romy Schneiders Gesicht zu fokussieren: eine Folie reiner Empfindsamkeit.

Interviews Kaum eine andere deutsche Schauspielerin hat mit Interviews für derartiges Aufsehen gesorgt. Für Schneider waren die Gespräche vor laufender Kamera oder Tonband stets eine Gratwanderung: einerseits mit großem Mut zur Offenbarung, andererseits in steter Gefahr einer Entblößung. 3 Tage in Quiberon (2018), in dem Schneider von Marie Bäumer gespielt wird, kreist um das letzte legendäre Stern-Interview. Bereits 1976 traf sie Alice Schwarzer, die das nächtliche Gespräch jahrzehntelang nicht zur Verfügung stellte. In den Interviews Romy Schneiders spiegelt sich ihr bis zuletzt angespanntes Verhältnis zu den Medien noch posthum eindrucksvoll wider.

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Kaiserin Sie war die Kaiserin der Herzen. Dreimal spielte Romy Schneider die Sissi, jene Rolle, die ihr Leben und ihre Karriere, seit sie 16 war, auf Jahre hinaus bestimmen sollte. Regisseur Ernst Marischka, der bereits Mutter Magda nach Wien ans Theater geholt hatte, perfektionierte in zwei weiteren Filmen das Bild der so natürlichen wie naiven Monarchin, die sich der Bürde der Verantwortung stellt, um dem Reich eine Zukunft zu geben. Als verklärender Historienschinken und Heimatkitsch wurde die Sissi-Trilogie zum erfolgreichsten Franchise des österreichischen Nachkriegskinos – für Romy Schneider, die einen vierten Film für eine Million Mark ausschlug, Segen und Fluch.

Lehrer Als ihre Lehrer bezeichnete Romy Schneider vier Regisseure von Weltrang, mit denen sie nach ihrer Abkehr vom deutschen Film zusammenarbeitete. Angeleitet von Orson Welles spielte sie die preisgekrönte Rolle der Leni in der Kafka-Verfilmung Der Prozeß (1962), während ihr der polnische Regisseur Andrzej Zulawski half, ihren Imagewechsel im abgründigen Dreiecksdrama Nachtblende (1975) zu besiegeln. Als "Lieblingsregisseur" bezeichnete Schneider Claude Sautet. Fünfmal, von Die Dinge des Lebens (1970) bis Eine einfache Geschichte (1978), gab ihr Sautet die Gelegenheit, jene zwischen Zerbrechlichkeit und Stärke oszillierenden Frauenfiguren auszuloten, die bis heute hohe Resonanz finden. Als größten ihrer Lehrer würdigte Schneider aber Luchino Visconti. Unter seiner Regie ließ sie sich nach einer ersten Zusammenarbeit am Theater und dem Episodenfilm Boccaccio 70 schließlich auch zu einer Neudeutung der Sissi-Rolle in Ludwig II. überzeugen. Von Visconti habe sie gelernt, "was er allen beibringt, die mit ihm arbeiten, nämlich seine Art, die Dinge auf die Spitze zu treiben, seine Disziplin".

Paris Schon in Schneiders Debüt Wenn der weiße Flieder wieder blüht ist es der Eiffelturm, der in einer Montage von Postkartenansichten den freiheitssuchenden Künstler an erster Stelle in die Ferne lockt. Erstmals selbst nach Paris reiste Schneider 1957 für die Verfilmung von Gábor von Vaszarys Roman Monpti. Als sie ein Jahr später mit Alain Delon die Schnitzler-Verfilmung Christine drehte und die beiden auch privat ein Paar wurden, ging Schneider mit nach Paris. Die Stadt fungierte als Fluchtpunkt, an dem sie neue, anspruchsvollere Rollen suchte, die Abnabelung von ihrer Familie vollzog und schließlich einen neuen Lebensmittelpunkt fand, der alle Beziehungen überdauerte. Der deutsche Boulevard reagierte zunächst mit Vaterlandsverratsvorwürfen und hielt bis zum Karriereende eine Hassliebe mit der ausgewanderten Schauspielerin am Köcheln. Schneider jedoch konnte sich nach weniger beachteten Gehversuchen im englischsprachigen Raum als hoch geschätzte und verehrte Schauspielerin ins französische Kino einschreiben.

FURY

Swimmingpool Romy Schneider und Alain Delon am Pool in Jacques Derays La Piscine (Der Swimmingpool, 1969) – die zwischen coolen Posen, neckischer Verliebtheit und gierigem Verlangen changierenden Szenen versinnbildlichen das Star-Appeal der beiden Schauspieler wohl mehr als alle anderen. Der Mai 1968 scheint in dem hedonistisch-trägen Treiben in einer Villa nahe Saint-Tropez so fern wie nie. Schneider und Delon waren zu jener Zeit gar kein Paar mehr. Der Film profitiert ohne Zweifel von der Vertrautheit ihrer Körper wie auch von der Spannung, die unter Ex-Geliebten bestehen bleibt. Delon und Schneider waren das glamouröseste, mithin meistfotografierte Paar jener Zeit, auch an den Spannungen ihrer Liaison nahm die Öffentlichkeit Anteil. 1963 erfolgte der Bruch, Delon verabschiedete sich mit einer kurzen Notiz. Er war es dann aber auch, der Schneiders Besetzung in Swimmingpool bei Deray erwirkte.

Zerstörung Manchmal erzählen die unvollendeten Filme mehr über die Psyche von Schauspielern und Filmemachern als die zu Ende gebrachten. "Ich frage mich, wie ich achtzehn Wochen mit Henri-Georges durchhalten soll", meinte Schneider zu Beginn der Dreharbeiten zu L'enfer (1964) von Henri-Georges Clouzot. Doch zum Lohn der Angst sollte es gar nie kommen: Nach drei Wochen erlitt Clouzot eine Herzattacke, nachdem Schneiders Filmpartner Serge Reggiani bereits fluchtartig die Dreharbeiten verlassen hatte. Was dieser verstörende Torso der Kinogeschichte zeigt: Testaufnahmen von Schneider als lebendes Versuchsobjekt, von Clouzot nackt und auf Schienen gefesselt vor eine einfahrende Dampfeisenbahn gelegt. Zerstörung und Selbstzerstörung gehen Hand in Hand. (Karl Gedlicka, Dominik Kamalzadeh, Michael Pekler, 23.9.2018)