Zu den Ritualen nach jeder Massenschießerei in den USA gehört, dass eine Debatte darüber ausbricht, ob das Land sich nicht doch strengere Waffengesetze geben sollte. In der Regel enden die Diskussionen ergebnislos. Seltener, wie nach dem Amoklauf in einer Schule in Parkland, Florida, mit 17 Toten im Februar, werden die Regeln zumindest auf Ebene der betroffenen Bundesstaaten etwas verschärft.

In Europa verfolgt die Öffentlichkeit die Diskussionen mit einer Mischung aus Verwunderung und Unverständnis: Einen Waffenwahn, wie er in Teilen der US-Gesellschaft verankert ist, gibt es in Europa schließlich nicht.

Dabei wird ein Detail auf dieser Seite des Atlantiks oft übersehen: Europäische Produzenten haben einen großen Teil des US-Waffenmarktes fest im Griff. Etwas mehr als jede dritte legal verkaufte Handfeuerwaffe stammt aus europäischer Produktion. Besonders das Exportland Österreich ist groß im Geschäft.

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Szenen nach Massenschießereien in den USA: Schüler in Oregon bringen sich in Sicherheit.
Foto: AP / Michael Sullivan

Laut einer Auswertung von Small Arms Analytics, einem US-amerikanischen Beratungsunternehmen, für den STANDARD, haben die US-Amerikaner im vergangenen Jahr 3,2 Millionen Pistolen und Revolver aus dem Ausland importiert. Die Einfuhren kommen fast nur aus Europa. 1,2 Millionen davon stammten aus Österreich. Die Zahl der in Österreich produzierten Waffen, die in den USA verkauft werden, hat sich in wenigen Jahren verdoppelt.

Diese Einfuhrstatistiken verraten zwar nicht, welches Unternehmen die Waffen baut. In Österreich gibt es aber nur einen Konzern, der in industrieller Dimension Pistolen erzeugt: Glock. Das Unternehmen verfügt über drei Produktionsstandorte in Europa. Neben Deutsch-Wagram in Niederröstereich gibt es eine Glock-Fabrik in Ferlach, Kärnten, und eine in Bratislava.

Glock produziert auch direkt im US-Bundesstaat Georgia, zuletzt rund 370.000 Pistolen. Laut Firearms Analytics wird aus Georgia die Nachfrage der Behörden befriedigt: Zwei Drittel der US-Polizisten tragen eine Glock. Rechnet man Importe und lokale Produktion zusammen, stammte 2016 jede fünfte in den USA verkaufte Pistole von Glock, sagt Jurgen Brauer von Firearm Analytics. Der größte Teil sei für den privaten Gebrauch bestimmt.

"Europäische Hersteller werden für ihre Qualität geschätzt", sagt der Analyst. Etabliert hat sich als erstes Unternehmen in Übersee Beretta aus Italien, das seit den 1980er-Jahren Pistolen für das US-Militär herstellt. "Über Mundpropaganda der Soldaten verbreitete sich, dass die Europäer Waffen bauen können", sagt Brauer.

Nach Beretta begannen Waffenhersteller wie Sig Sauer aus der Schweiz und FN Herstal aus Belgien mit der US-Expansion.

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Trauer nach dem Amoklauf in einem Schwulenklub in Orlando.
Foto: APA / AFP / Getty Images / Joe Raedle

Glock spielt eine besondere Stärke aus: seine Leichtigkeit.

1963 gründet der gelernte Kunststofftechniker Gaston Glock die Glock GmbH und produziert zunächst Gewehrgurte und Feldmesser für das österreichische Bundesheer. 1980 suchte das Heer eine neue semiautomatische Waffe für die Truppe. Glock entwickelt eine neuartige Pistole – einfacher zu bedienen, leichter, weil aus Kunststoff, günstiger und mit größerem Magazin als bei bis dahin gängigen Faustfeuerwaffen: die Glock 17. Ab 1985 expandierte das Unternehmen in die USA.

Dort gerät das Unternehmen immer wieder in die Schlagzeilen, wenn Glock-Waffen in den falschen Händen landen. Am 12. Juni 2016 etwa marschiert Omar Mateen in einen Club für Homosexuelle in Orlando, Florida, und erschießt 49 Menschen. Neben einem Sturmgewehr war Mateen mit einer Glock bewaffnet.

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Dylann Roof, 21, ermordete neun Menschen in einer Kirche.
Foto: Reuters / Jason Miczek

Ein Jahr davor ermordete der 21-jährige Dylann Roof neun Afroamerikaner mit einer Glock in einer Kirche in Charleston, South Carolina. Am 1. Oktober 2015 tötete ein Amokläufer neun Menschen im Umpqua Community College in Oregon. Der Täter war unter anderem mit einer Glock bewaffnet.

Die Schießereien haben einen indirekten Einfluss auf die Verkaufszahlen der Waffenhersteller, sagt Analyst Brauer. Wenn nach einem Amoklauf der Eindruck entsteht, die Waffengesetze werden verschärft, springt der Absatz in die Höhe. Gut fürs Geschäft war in dieser Hinsicht die Präsidentschaft Barack Obamas. Seit seinem Abgang ist der Waffenmarkt eingebrochen. "Unter Präsident Trump rechnet niemand mit schärferen Gesetzen", sagt Brauer. (Georg Eckelsberger, Eja Kapeller, Florian Peschl, Peter Sim, Florian Skrabal, András Szigetvari, Sahel Zarinfard, 22.9.2018)