Nahles will nachjustieren.

Foto: FOTO: APA/dpa/Kay Nietfeld

Maaßen freut sich wohl über seinen Aufstieg.

Foto: imago/IPON

Berlin – Der Fall des umstrittenen deutschen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen wird in der Koalition neu aufgerollt. SPD-Chefin Andrea Nahles wandte sich am Freitag per Brief an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer und drängte darauf, den Koalitionsbeschluss vom Dienstag "zu überdenken". Auch Merkel sprach sich daraufhin für eine neue Suche nach einer gemeinsamen Lösung aus.

In ihrem Brief, der AFP in Berlin vorlag, verwies Nahles auf "die durchweg negativen Reaktionen aus der Bevölkerung". Dies "sollte Anlass für uns gemeinsam sein, innezuhalten", schrieb die SPD-Chefin und drängte auf ein neues Treffen der drei Parteichefs.

Auch Merkel sprach sich für eine Neubesinnung aus. "Die Bundeskanzlerin findet es richtig und angebracht, die anstehenden Fragen erneut zu bewerten und eine gemeinsame tragfähige Lösung zu finden", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.

Es wurde davon ausgegangen, dass Merkel, Seehofer und Nahles schon vor einem für Sonntag geplanten Treffen versuchen, eine Einigungslinie zu finden. Demnach dürften sich die drei Parteichefs im Umfeld des für Sonntagnachmittag im Kanzleramt geplanten Dieselgipfels treffen, um einen Kompromiss zu erzielen. Die SPD-Bundestagsfraktion kommt am Montag zu einer Sondersitzung zusammen. Bei der CDU steht die routinemäßige Präsidiumssitzung zusammen.

Heftige Kritik in der SPD

Nahles, Seehofer und Merkel hatten sich am Dienstag darauf verständigt, dass Maaßen als Verfassungsschutz-Präsident abgelöst wird und als Staatssekretär ins Innenministerium wechselt. Das hatte heftige Kritik in der SPD, aber auch von CDU-Politikern ausgelöst. Die Empörung in der SPD wuchs, nachdem bekannt wurde, dass zugunsten von Maaßen Bau-Staatssekretär und SPD-Mann Gunther Adler sein Amt verlieren soll.

Am Rande eines Besuchs in Würzburg räumte Nahles nun Fehler ein. "Wir haben uns alle drei geirrt", sagte sie auch mit Blick auf Merkel und Seehofer. "Wir haben nicht Vertrauen geschaffen, sondern wir haben Vertrauen verloren." Es sei "nicht vermittelbar", dass Maaßen "einerseits aufgrund seines Verhaltens abberufen werden muss und auf der anderen Seite dann aber im Ministerium von Herrn Seehofer als Staatssekretär befördert wird".

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel stellte sich hinter die Forderung nach einer Neuverhandlung. Maaßen sei "weder als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz noch als Staatssekretär tragbar", erklärte er in Wiesbaden. "Man muss auch mal die Größe haben, eine falsche Einschätzung einzugestehen", lobte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) in den Zeitungen der Funke Mediengruppe den Kurswechsel von Nahles.

"Es ist nie zu spät, einen schlechten Deal zu verbessern", sagte auch Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND – Samstagsausgaben)

"Schlag in das Gesicht aller Staatsdiener"

Der Vorsitzende der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, rief im "Handelsblatt" Merkel zum Durchgreifen gegen Seehofer auf. Eine Beförderung Maaßens zum Staatssekretär nannte der CDU-Politiker "einen Schlag in das Gesicht aller Staatsdiener, die loyal für die Allgemeinheit arbeiten". Merkel müsse "durch Wahrnehmung ihrer Richtlinienkompetenz auf der sofortigen Abberufung Maaßens bestehen".

Laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung hat Nahles zwei andere alternative Posten für den deutschen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen abgelehnt. Demnach hätte Maaßen auf Vorschlag von Innenminister Horst Seehofer (CSU) entweder Chef des Bundeskriminalamts (BKA) oder Beauftragter des Ministers für Sicherheit und internationale Zusammenarbeit werden sollen.

Rücktritt Seehofers gefordert

Unterdessen forderten 290 Kulturschaffende in einem offenen Brief den Rücktritt Seehofers als Innenminister. Die Unterzeichner warfen Seehofer auch mit Blick auf den Fall Maaßen vor, dass er "fortwährend die Arbeitsfähigkeit der Bundesregierung sabotiert und dem internationalen Ansehen des Landes schadet". "Entsetzt" äußern sie sich auch darüber, dass Seehofer Migration zur "Mutter aller politischen Probleme" erklärt hat. (APA, 21.9.2018)