Bundeskanzler Sebastian Kurz während eines Treffens mit dem ägyptischen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi vor einer Woche.

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Das Wort "Anlandeplattform" im Zusammenhang mit Bootsflüchtlingen hat wohl gute Chancen in der Wahl zum Unwort des Jahres. Sogar Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich nun mehrmals deutlich davon distanziert. Anlandeplattform sei eine "etwas eigenartige Wortkreation", sagte Kurz am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im Rahmen des informellen EU-Gipfels in Salzburg. Und: "Wir haben noch immer nicht herausgefunden, wem das Wort eigentlich eingefallen ist."

Die fiktiven Anlandeplattformen in Nordafrika, die Kurz in der ZiB2 am Donnerstag auch noch als "skurril" bezeichnete, haben aber seit Wochen die europäische Migrationsdebatte beherrscht. Sie sollten Flüchtlinge von Europa fern- und in Afrika festhalten.

Im Juni noch begeistert

Auch Kanzler Kurz war noch im Juni nach dem EU-Gipfel in Brüssel begeistert gewesen: Anlandeplattformen seien ein "ganz wesentlicher Schritt". Denn nur "wenn wir sicherstellen, dass Menschen nach der Rettung in Drittstaaten gebracht werden, werde wir das Geschäftsmodell der Schlepper zerschlagen", sagte Kurz damals.

Und jetzt heißt es plötzlich aus dem Munde des Kanzlers und momentanen EU-Ratsvorsitzenden: "Nicht notwendig, um die illegale Migration zu lösen." Der Schwenk bei den Anlandeplattformen beruht schlicht und einfach auf dem Nein aller nordafrikanischen Staaten, derartige Flüchtlingslager – nichts anderes wären Anlandeplattformen – einzurichten. Sogar Ägypten, das von der EU überschwänglich dafür gelobt wird, dass es seit zwei Jahren kein Flüchtlingsboot mehr von der ägyptischen Küste nach Europa geschafft hat, lehnt die Einrichtung von Lagern ab.

Wirklich durchdacht waren die Anlandeplattformen bisher ohnehin nicht. Ob es dort die Möglichkeit geben hätte sollen, Asyl in Europa zu beantragen, war ebenso unklar wie die Frage, wieviel die EU dafür springen hätte lassen.

Vorbild Australien

In Wahrheit waren die Anlandeplattformen eine alt Idee in neuer Verpackung. Schon im Sommer 2015 setzte sich Sebastian Kurz als damaliger Außenminister dafür ein, dass Flüchtlinge (damals mehrheitlich aus Syrien, Afghanistan und dem Irak) in Nachbarstaaten der Herkunftsländer bleiben sollten. Und zwar in "Auffanglagern". 2016 nahm sich Kurz Australien als Vorbild, wo Bootsflüchtlinge in pazifischen Nachbarstaaten interniert wurden.

Menschenrechtsorganisationen und die UNO haben bisher alle Massenflüchtlingslager als inhuman verurteilt. (Michael Simoner, 21.9.2018)