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Die britische Premierministerin Theresa May fasst offenbar Neuwahlen ins Auge.

Foto: REUTERS/Peter Nicholls

London – Angesichts der festgefahrenen Brexit-Verhandlungen zwischen der Europäischen Union (EU) und Großbritannien denken offenbar Premierministerin Theresa May wie auch die Labour-Opposition über vorgezogene Parlamentswahlen nach. May habe ihre politischen Berater angewiesen, einen Notfallplan für Neuwahlen im November auszuarbeiten, berichtete die "Sunday Times". Damit wolle sie sich die Rückendeckung der Bevölkerung für einen neuen Plan für einen Austritt aus der EU und zugleich für ihre Arbeit als Regierungschefin sichern. Zwei führende Mitglieder ihres Beraterstabs hätten bereits mit Planspielen für eine Wahl im Herbst begonnen. Mays Büro war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Der Tory-Abgeordnete Nicky Morgan sagte dem Sender Sky News, das Land brauche keine Neuwahl. Sollte es aber dazu kommen, sollten die Konservativen nicht mit May als Spitzenkandidatin antreten.

Corbyn für Neuwahlen

Für vorgezogene Wahlen sprach sich der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, aus. Er würde Neuwahlen einem zweiten Brexit-Referendum vorziehen, sagte er der BBC am Sonntag. "Unsere Präferenz wäre eine Parlamentswahl, nach der wir dann mit Europa über unsere künftigen Beziehungen verhandeln können", sagte er. Zunächst wolle er aber die Beschlüsse des am Sonntag begonnenen Parteitags abwarten. Wenn die Delegierten ein neues Referendum wollten, werde die Parteiführung dies respektieren. Der Labour-Parteitag berät vier Tage lang über den Brexit und den künftigen Kurs der Partei.

Corbyn ist ein Europa-Skeptiker und hatte schon 1975 gegen den Beitritt des Landes zur EU gestimmt. Bislang lehnte er ein zweites Referendum strikt ab. Allerdings hat sich die Stimmungslage verändert, seit die EU Mays-Brexitplänen sehr eindeutig eine Absage erteilt hat.

May war vergangene Woche mit ihrem Austrittsplan, den sie nach harten parteiinternen Kämpfen im Juli mit ihrem Kabinett auf dem Regierungs-Landsitz Chequers vereinbart hatte, bei den Staats- und Regierungschefs der EU auf geschlossene Ablehnung gestoßen. Sie will nach dem Brexit eine Freihandelszone mit der EU für Waren und Agrarprodukte, nicht aber für Dienstleistungen und den freien Personenverkehr. Die EU lehnt dies als Rosinenpickerei ab. Offen ist auch noch, wie eine "harte Grenze" zwischen der britischen Provinz Nordirland und der Republik Irland verhindert werden soll.

Tory-Parteitag kommt entscheidende Bedeutung zu

Die Premierministerin zeigte sich ungeachtet der eindeutigen EU-Position entschlossen, an ihrem Brexit-Kurs festzuhalten. Sie werde nicht verzagen. "Dies ist der Moment, um das zu tun, was für Großbritannien richtig ist", sagte May dem "Sunday Express". "Jetzt ist die Zeit für kühle Köpfe. Und es ist an der Zeit, die Nerven zu bewahren."

Angesichts des wachsenden Zeitdrucks vor dem für Ende März 2019 geplanten EU-Austritt forderte sie von der EU ein Alternativangebot und warnte erneut vor einem Austritt ihres Landes ohne Abkommen. May steht zugleich innenpolitisch unter großem Druck, da Brexit-Hardliner in ihrer konservativen Partei einen strikteren Bruch mit der EU fordern. Dem Parteitag der Tories vom 30. September bis 03. Oktober kommt deswegen eine entscheidende Bedeutung zu. (Reuters, 23.9.2018)

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