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Kaum Zugang zum Arbeitsmarkt: In Österreich dürfen Asylwerber nur in der Landwirtschaft und im Tourismus arbeiten.

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Wann ist der richtige Zeitpunkt, um den Arbeitsmarkt für Asylwerber zu öffnen? Über diese Frage ist in den vergangenen Monaten in Österreich heftig gestritten worden. Anlass dafür waren die 1.000 Asylwerber unter 25, vor allem aus Afghanistan, die eine Lehrstelle in Österreich ergattert haben. Eine Initiative unter Federführung des grünen Landesrates Rudi Anschober aus Oberösterreich wollte verhindern, dass die Lehrlinge in der Ausbildungszeit abgeschoben werden. Die türkis-blaue Regierung winkte ab, sperrte für die Asylwerber den Zugang zur Lehre. Ansonsten sei das "Asyl durch die Hintertür" so die Begründung.

Der Zugang zur Lehre war eine der wenigen Möglichkeiten für Asylwerber, um in Österreich in Kontakt mit dem Arbeitsmarkt zu kommen. Menschen können zwar nach drei Monaten im Asylverfahren eine Beschäftigungsbewilligung beantragen. Sie dürfen jedoch nur zeitlich begrenzte Saisonarbeit für sechs Monate im Tourismus und in der Landwirtschaft aufnehmen. Eine andere Möglichkeit, um legal zu arbeiten, gibt es nicht. Dass langes Nichtstun während der Asylverfahren negative Auswirkungen auf den späteren Integrationserfolg von Flüchtlingen hat, ist schon lange bekannt. Die Warterei demotiviert die Menschen. In einer aktuellen Studie kommen Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und der Stanford University zu dem Ergebnis, dass die Arbeitsverbote dramatischere Langzeitfolgen haben dürften als bisher angenommen.

Wie sich unterschiedliche Regelungen auswirken

Die Wissenschafter rund um den Politologen Moritz Marbach von der ETH haben mithilfe von Daten aus Deutschland analysiert, wie sich unterschiedliche Regelungen den Arbeitsmarktzugang betreffend auswirken.

Möglich wurde das durch eine Gesetzesänderung: Im Jahr 2000 wurden die bis dahin geltenden Regelungen für Asylwerber in Deutschland durch einen Gerichtsentscheid gekippt. Asylsuchende, die 1999 in die Bundesrepublik kamen, mussten bis zu 24 Monate warten, ehe sie einen Job annehmen konnten. Nach dem Gerichtsurteil galt ein Jahr später eine maximale Wartezeit von zwölf Monaten. Die Forscher haben analysiert, wie sich Asylwerber aus Jugoslawien in den Arbeitsmarkt integrieren konnten, die 1999 oder 2000 in Deutschland Asyl beantragt haben.

Der markanteste Unterschied in den beiden ansonsten homogenen Gruppen war laut dem Politologen Marbach, dass Asylwerber aus dem Jahr 1999 im Schnitt sieben Monate länger auf eine Arbeitserlaubnis warten mussten als jene aus dem Jahr 2000.

Die spürbaren Spätfolgen

Diese sieben Monate hatten gravierende Langzeitfolgen. Nach fünf Jahren hatte jeder zweite Flüchtling, der im Jahr 2000 gekommen war, eine Anstellung. In der zweiten Gruppe aus dem Jahr 1999 hatten nach fünf Jahren lediglich 29 Prozent der Betroffenen einen Job. Erst zehn Jahre später schloss sich diese Lücke, heißt es in der Studie. Je länger der Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber gesperrt ist, desto länger sind Menschen von Sozialleistungen abhängig und desto später leisten sie selbst steuerliche Beiträge. Die Studienautoren rund um Marbach sprechen von hohen Kosten durch den späten Arbeitsmarktzugang.

Als Basis für ihre Auswertungen bedienten sich die Politikwissenschafter der Daten aus einer repräsentativen Befragung der deutschen Statistiker, in deren Rahmen jedes Jahr etwa 900.000 Menschen befragt werden.

Schwer zu sagen ist, ob sich die Ergebnisse auf die aktuelle Flüchtlingssituation umlegen lassen. Jede Fluchtwelle brachte Menschen mit unterschiedlichen Qualifikationen nach Europa. Die Schulpflicht in Jugoslawien war flächendeckend etabliert. Aus Afghanistan dagegen kam zuletzt auch eine größere Anzahl an Analphabeten. Für sie kommt eine schnelle Integration in den Jobmarkt ohne vorherigen Schulbesuch nicht infrage.

Restriktives Österreich

Ob ein später Zugang zum Arbeitsmarkt Folgen hat, ist besonders für Österreich eine relevante Frage. Laut Daten der Industriestaatenorganisation OECD ist in der EU einzig das Vereinigte Königreich ähnlich restriktiv bei der Öffnung des Arbeitsmarkts.

Marbach und sein Kollege Dominik Hangartner von der ETH sagen, dass ihre Ergebnisse keine automatischen Rückschlüsse auf alle Asylwerber heute zulassen. Doch dort, wo es möglich ist, würden ihre Daten dafür sprechen, Asylwerbern früh den Zugang zum Jobmarkt zu öffnen. (András Szigetvari, 25.9.2018)