Die Entscheidung fällt am Donnerstag.

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Recep Tayyip Erdoğan zeigt sich gerne als strahlender Sieger. Doch am Donnerstag könnte der türkische Staatspräsident als Verlierer aus dem Flugzeug steigen, und das ausgerechnet in Berlin. Erdoğan wird in der deutschen Hauptstadt zum Staatsbesuch erwartet – wenige Stunden, nachdem in Nyon in der Schweiz über die Vergabe der Fußball-EM 2024 an Deutschland oder den Rivalen Türkei entschieden wurde.

Die EM ist für Erdoğan ein persönliches Prestigeobjekt. Mit seinen guten Verbindungen in die Baubranche hat er viele Stadien sanieren oder neu errichten lassen. Die Stadien sind in Staatshand und sollen 2024 mietfrei genutzt werden können. Generell stellt Erdoğan der europäischen Fußball-Union (Uefa) Steuerfreiheit und riesige Gewinne in Aussicht. Reinhard Grindel, der wegen seines Umgangs mit der Özil-Erdoğan-Affäre heftig kritisierte Präsident des deutschen Fußballbunds (DFB), sieht mit Argwohn, dass die Mitbewerber "so ziemlich alles garantieren, was nicht niet- und nagelfest ist". Schließlich hatte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin den Aspekt der Verdienstmöglichkeit als "absolut entscheidend" bezeichnet.

Fans und Gastfreundschaft

Vorteil Türkei? Tatsächlich spricht einiges für den einzigen Kontrahenten des DFB. Die Bewerbung mit dem Herzen Istanbul und acht weiteren Städten unter dem Motto "Share together" (Miteinander teilen) setzt neben den neuen Stadien auf leidenschaftliche Fans und den Faktor Gastfreundschaft. Nach drei vergeblichen Anläufen (2008, 2012, 2016) sei die Türkei "an der Reihe, um die Bühne zu betreten", sagt der türkische Teamchef Mircea Lucescu, ein Rumäne.

Die Türkei habe "bewiesen, dass sie bereit ist für die EM. Jetzt sind wir dran!", sagt Verbandspräsident Yıldırım Demirören. Seine Holding hat die letzte unabhängige Mediengruppe Dogan Media Group (Tageszeitung "Hürriyet", Sportmagazin "Fanatik", CNN Türk) übernommen und auf Linie gebracht. Demirören ist ein Vertrauter Erdoğans, sein Verband wird von der Regierung unterstützt, Staatsunternehmen sind Sponsoren und sollen auch die EM 2024 finanzieren.

Causa Özil

Demirörens Vize Servet Yardımcı, Multimillionär und Chef der Bewerbung, war sich im Vorfeld der Entscheidung nicht zu schade, die Causa Özil für seine Zwecke zu benutzen. "Es ist eine internationale Geschichte geworden und sehr unglücklich", sagte er, "ich hoffe, das wirkt sich zu unseren Gunsten aus."

Dem steht die politische Großwetterlage entgegen. Erdoğans Machtausweitung, die Verhaftung Zehntausender Oppositioneller, Kritiker und Journalisten, die zunehmende Kluft zur EU, die stark eingeschränkte Pressefreiheit – all das sieht auch die Uefa. Der Evaluierungsbericht nennt das "Fehlen eines Aktionsplans in Sachen Menschenrechte problematisch". Ceferin erklärte eher ausweichend, die Uefa habe diesen Punkt "natürlich im Auge".

Für Deutschland geht's um die zweite Heim-EM nach 1988 – und vielleicht auch um ein Sommermärchen, wie es bei der Heim-WM 2006 mit Rang drei erzählt wurde. "Das war der Beginn der großen Zeit des deutschen Fußballs", sagt DFB-Teamchef Joachim Löw. Allerdings war es auch der Beginn eines Skandals um Stimmenkauf und Korruption, in den der DFB geschlittert ist. Auch deshalb hatten Fangruppen bei deutschen Pokalspielen an den zwei Abenden vor der EM-Vergabe zahlreiche Proteste gegen den DFB angekündigt. (sid, fri, 25.9.2018)