Ist Fliegenfischen Männersache? Anderswo ist man in der Beantwortung dieser Frage schon weiter: Wenn Connie Pierce am Red Deer River in Kanada eine fette Brown Trout an der Angel hat, eilt ihr Mann Garry mit dem Kescher herbei und hilft, den Fisch einzusacken. Martina Breznik vermietet im slowenischen Luce nicht nur Baumhäuser an Hotelgäste, sondern ist gleichzeitig hervorragende Fliegenfischerin. Die eine oder andere Marmorata hat Ana Ros, Superköchin der international ausgezeichneten Hisa Franko schon aus der Soca geholt.

"Ah, ihr geht's auch fliegenfischen?", lautet hierzulande die gängige, zumeist höflich-distanziert vorgebrachte Begrüßung, wenn Fliegenfischer an Bach, Fluss oder See auf Frauen treffen, die, wie sie, in sackartigen, wasserdichten Gewändern mit Monsterboots am Wasser stehen oder durch selbiges stapfen und dabei stets die gleiche Armbewegung ausführen, nämlich die Schnur aus der Rute werfen, auf dass sie sanft an der Wasseroberfläche liegen bleibe und mit ihrer künstlichen Fliege am Ende den Fischen darunter ein appetitliches Bild abgebe, sodass diese zubeißen, wodurch sich wiederum der Fänger am Ziel seiner Wünsche befindet.

Merkwürdig genug, dass in vielen Teilen der modernen Welt solche Freizeitaktivitäten ganz selbstverständlich von Männern und Frauen gleichermaßen gern durchgeführt werden. In unseren alpenländischen Breitengraden scheint es hingegen jedes Mal ein Novum darzustellen, wenn frau am österreichischen Wasser auftaucht.

Fliegenfischerinnen fangen in fremden Gewässern. Mit Männern verbindet sie die gemeinsame Leidenschaft.
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Man kann es ja auch nachvollziehen: Frauen, die Jagd auf Fische machen, fischen in fremden Gewässern. Die Idee vom Jäger und der Sammlerin sitzt offenbar noch tief in den Köpfen der Bevölkerung, und tatsächlich sind Frauen eine krasse Minderheit in der gesamten Freizeitfischerei. Unter insgesamt 3200 Mitgliedern befänden sich rund 140 Frauen, zählt Franz Kiwek, Präsident der österreichischen Fischereigesellschaft auf. Spinnangeln – also das Fischen mit künstlichen Ködern – und Fliegenfischen halten sich die Waage, und die Zahl ändere sich seit Jahren kaum.

"Fischen ist eine männerdominierte Freizeitbeschäftigung", fasst Franz Kiwek die Faktenlage zusammen. "Meistens gehen die Damen in Begleitung ihres Lebenspartners fischen", erklärt der Obmann – und das, obwohl ihnen 50 Prozent Ermäßigung winken.

Nicht, dass Fliegenfischer Macho-Typen wären. Gut, es gibt auch Machos am Wasser, aber das sind Einzelfälle. Die Begegnungen am Wasser erfolgen durchaus amikal. Was Fischer und Fischerin eint, ist der Austausch über die Materie: Steigen die Fische? Geht was? Womit fischst du? Manche versuchen, dich übers Ohr zu hauen, Mansplaining ist den meisten Frauen ein Begriff, und wenn es darum geht, Reviere abzustecken, hilft es, aufmerksam zu sein. Eine Veränderung in der Geschlechterverteilung findet insofern statt, als inzwischen offenbar doch mehr Frauen miteinander fischen, bei der Fischereigesellschaft gibt es mittlerweile regelmäßige Women-only-Treffs mit Vorträgen und Möglichkeiten der Vernetzung.

Rekordfang

Historisch gesehen spielten beim Fliegenfischen einige Damen eine gewichtige Rolle. Als Heroin in die Geschichtsbücher der Fliegenfischer ging die ehrenwerte Georgina Ballantine ein, die an einem Februartag des Jahres 1923 einen Lachs von sage und schreibe 1,5 Metern am Haken hatte. Der Drill dauerte mehr als zwei Stunden, am Ende siegte Lady Ballantine. Der Fang steht seither im Buch der Rekorde als größter je mit einer Rute an Land gezogene Lachs. Fliege: Wilkinson, wer es ganz genau wissen will.

Ebenfalls nicht von schlechten Eltern war der Fang der legendären Joan Salvato Wulff. Die US-Amerikanerin stammte aus New Jersey, ihr Vater Jimmy lehrte sie das Fliegenfischen, und die kleine Joan erwies sich als gelehrige Schülerin. Keine warf die Schnur so weit wie sie – bis zu 49 Metern.

Womit wir endgültig beim heiklen Thema wären: Denn das Werfen ist erst der Beginn des ganzen Spaßes, am Ende liegt ein Fisch am Teller, und dazwischen liegt ein Tötungsvorgang, der Voraussetzung ist, allerdings als relativ unweiblich gilt. Es hilft, aber nichts, denn wer den Fisch gern am Teller hat, muss ihn vorher auch töten können. Ein heftiger Schlag auf den Hinterkopf, da muss auch frau durch und ja, gern tun wir es nicht, aber es geht nicht anders.

Worin unterscheiden sich fliegenfischende Frauen von Männern? "Gar nicht", sagt Präsident Franz Kiwek, Präsident der österreichischen Fischereigesellschaft, und bestimmt hat er recht.
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Ob Frauen denn prinzipiell die besseren Fliegenfischer seien, lautet eine immer wieder gestellte Frage, wenn in Foren kapitale Fänge bestaunt werden. Das ist natürlich totaler Schwachsinn, ebenso wie die allen Ernstes angeführten Pheromone im Spiel. Wenn einem nichts mehr einfällt, dann kommt der Biologismus. Diskriminierung gibt es. Das gipfelt, sorry für das Klischee, bei der Schale. Hier verhält es sich wie bei Sportbekleidung üblich: Auf fünfzig Männermodelle, kommt eines für Frauen. Wenigstens ist die Wathose nicht pink oder fliederfarben.

Worin unterscheiden sich fliegenfischende Frauen von Männern? "Gar nicht", sagt Präsident Franz Kiwek, und bestimmt hat er recht. Folgende Erfahrungen sind in dem Sinn also als höchst individuell zu betrachten.

Der weibliche Zugang mag weniger akribisch sein. Fischermänner haben tausend Erklärungen für alles. Materialversessene und Perfektionisten wird man unter Frauen ebenso finden wie unter Männern. Der Ehrgeiz bestimmt den Charakter.

Es gibt allerdings einige Hinweise, wonach vermutet werden darf, dass Männer zu Übertreibungen neigen, was Menge und Größe ihrer Fänge betrifft. Auch dafür können sie nichts. Von klein auf ging es um die größere Strahlkraft, das ändert sich im Erwachsenenalter selten und ist auch nicht weiter störend, also kaum zu beanstanden. Man muss die Botschaften nur zu deuten wissen.

"Dun" heißt das Fliegenfisch-Magazin für Frauen

Wenn die Antwort auf die Frage "Heute schon was gefangen?" lautet: "Ja, einige", dann heißt das in Wahrheit: Noch nicht einen jämmerlichen Biss. Lautet die Antwort: "Ja, es waren ein paar schöne dabei." Dann heißt das: maximal in der Köderfisch-Größe. Wenn es ein richtiger Fang war, wird er dir Fotos auf seinem Handy zeigen. Prinzipiell beißen die Fische ja immer.

Zumindest fürs Fliegenfischen gibt es einen dezenten Wink bezüglich geschlechterspezifischer Herangehensweise, nämlich von Jen Ripple, Fliegenfischerin und Magazin-Herausgeberin: "Ich erinnere mich daran, dass Fliegenfischen nicht Neurochirurgie ist. Es soll Spaß machen." (Doris Priesching, RONDO, 1.6.2019)