Der Fußballklub Sturm Graz setzt auf digitale Unterstützung: Ein kleiner Apparat misst das gesamte Leistungsspektrum der Spieler. Im Bild: Sturm-Graz-Fußballer Lukas Spendlhofer.

Foto: Plankenauer

Institutsleiter Dietmar Wallner präsentiert das mit Sensoren versehene Trikot, das sich die Spieler unterziehen.

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Alles nur Show, Larifari, bringt uns gar nix", sagt Heiko Vogel trocken. "Nein, war ein Scherz. Ganz im Gegenteil, ein super wertvolles Tool", schiebt er rasch nach. Als Trainer einer Fußballmannschaft – er coacht aktuell den Grazer Bundesliga-Klub SK Sturm Graz – muss er natürlich auch den Schmäh laufen lassen. Unabdingbar im Umgang mit den großen Buben auf dem Fußballplatz.

Was Vogel ins Schwärmen bringt, ist ein kleines ovales Gerät, das in ärmellosen Kurztrikots, die die Spieler unterziehen, appliziert wird. Was dieses GPS-gesteuerte Ding an Daten während des Trainings oder Spiels liefert, wertet Philip Klöckl vom sportwissenschaftlichen Labor an der Grazer FH Joanneum aus. Vogel bekommt den körperlichen Zustand und das gesamte aktuelle Leistungsspektrum seiner Spieler live auf den Laptop gespielt.

Am Trainingszentrum Messendorf demonstrieren Klöckl und Institutsleiter Dietmar Wallner den neuen Algorithmen-"Co-Trainer". Auf dem Feld absolvieren die Sturm-Spieler ihre Trainingseinheiten, am Bildschirm bewegen sich Punkte (die jeweiligen Spieler mit dem Gerät im Rücken) auf einem simulierten Fußballfeld. Daneben rattern die Daten in eine Tabelle, jeder Move, jede Geschwindigkeitsänderung, jede Herzfrequenz wird dokumentiert.

Gläserne Kicker

Die Kicker stehen unter totaler Beobachtung. Sie sind für das Trainerteam nun gläsern und werden durch die GPS-unterstützte Übermittlung in ihren physiologischen Abläufen transparent. Zudem wird das Geschehen, also jeder Bewegungsablauf, auch optisch von einer Kamera erfasst.

Das Datenmaterial wird über den kleinen Apparat mittels unterschiedlicher Sensoren geliefert. Der Accelerometer misst die lineare Beschleunigung, ein Gyrometer die Drehbeschleunigung, und ein Magnetometer kann wie ein Kompass die Position bestimmen, in welcher Richtung der Spieler steht. Das Gerät ist, sagt Wallner, in Australien entwickelt worden. Das Feintuning kommt vom Grazer FH-Labor, in dem immer neue Parameter für ein optimales Training entwickelt werden.

Feedback durch Daten

"Für mich ist Zusammenarbeit mit der FH insofern gewinnbringend, weil wir nun auch eine enorme wissenschaftliche Kompetenz im Training haben. Wir bekommen Informationen, die normale Vereine so nicht haben", sagt Trainer Vogel, der auch selbst Sportwissenschaft studiert hat.

Gut, auch Rapid und Austria arbeiten mit ähnlichen Tools, und Red Bull Salzburg natürlich, aber keiner der Vereine verfüge über einen derartigen "hochwissenschaftlichen Zugang", sagt Vogel.

Es gehe im Kern ja darum, das Leistungsvermögen der Spieler zu verbessern, und da liefere das Programm etwa ad hoc detaillierte Infos über den Fitnesszustand. Dies während jeder kleinen Übung. Vogel: "Man hat als Trainer natürlich Erfahrung, wie ein Training wirkt, aber mit dem neuen System habe ich sofort die körperlichen Messdaten zur Verfügung. Ein kleines Beispiel: Trainingsübungen. Ich war manchmal überrascht, weil ich gedacht habe, heute ist diese Übung sehr anstrengend – und das Datenfeedback: Sie war easy. Dann wieder eine leichte Übung, und ich habe gesehen: Oh, die Jungs pumpen ganz schön."

Die mentale Seite

Sportwissenschafter Wallner meint, "es ist eine Win-win-Situation. Wir können auf die Daten für unsere Forschung zugreifen, etwa für Vergleichsstudien, wie sich die Leistungen entwickeln und wie die Bundesliga im internationalen Vergleich dasteht. Umgekehrt bekommt Sturm Graz von uns Informationen über die Spieler, die sie sonst nicht hätten." Philip Klöckl, der stets vor Ort misst, bekräftigt: "Oft kommt Heiko Vogel während einer Trainingseinheit und fragt: ,Wie war die Intensität, wie viele Kilometer wurden abgespult?' Je nach Datenlage kann er das Training modifizieren."

Aber auch wenn die Algorithmen präzise Hinweise liefern, ob der Spieler fit ist, sich optimal bewegt, passiert es dann, wenn's drauf ankommt, im Meisterschaftsspiel, dass ihm absolut nichts gelingt. Weil's mental nicht läuft. Da ergibt das eine das andere, und die ganze topvorbereitete Mannschaft gibt das Spiel aus der Hand. Weil's im Kopf nicht rund läuft.

Aber genau das kann dieses kleine Gerät noch nicht messen. "Das ist sicher der nächste ganz große Bereich, der entwickelt werden muss", sagt Wallner, "hier laufen schon recht interessante Versuche." (Walter Müller, 28.9.2018)