"Civil" will eine stärkere Kontrolle von Medien durch ihre Leser.

Foto: screenshot civil/tokenfoundry

Der Bitcoin-Hype ist abgeflaut, der Blockchain-Hype bleibt. Nun erreicht er auch den Journalismus. Civil heißt das neue Projekt des New Yorkers Matthew Iles, der Journalismus studiert hat, sich danach aber für eine Karriere im digitalen Marketing entschied. Jetzt will er mit einem Blockchain-basierten Projekt eine neue Art der Medienfinanzierung und -kontrolle schaffen.

Gegenpol zu Google und Facebook

Suchmaschinen und Social-Media-Riesen haben zu viel Macht, heißt es in dem Whitepaper auf der Website von Cvil. Sie kontrollieren mittlerweile große Teile des Online-Werbemarkts und würden einen zu großen Teil der Erlöse für sich selbst behalten. Geht es nach Civil, soll an Stelle der IT-Konzerne eine Art Verbindungsglied zwischen Journalisten, Lesern und Förderern treten, selbstverwaltet von den Usern. Ziel ist ein "Marktplatz für Journalismus, der frei von manipulativen Anzeigen, Fake News und Einfluss von außen" sein soll.

Die Blockchain-Technologie soll es möglich machen. Eine Blockchain ist eine riesige Datei, die dezentral an hunderten Stellen gleichzeitig gespeichert ist und nur sehr schwer manipulierbar ist. Will jemand etwas Neues zur Blockchain hinzufügen, muss die Mehrheit diese Änderung bestätigen. Ist das passiert, wird die Blockchain kryptografisch gesichert, eine nachträgliche Manipulation ist ausgeschlossen.

Der digitale Presserat

Kern des Projekt ist die "Constitution", in der journalistische Grundprinzipien wie Transparenz, Genauigkeit und Einzigartigkeit der Inhalte verankert sind. Sollte ein Medium gegen diese Grundwerte verstoßen, kann man es "herausfordern". User stimmen dann darüber ab, ob wirklich ein Verstoß vorliegt – eine Art Presserat, bei dem jeder mitmachen kann.

Das soll allerdings nicht gratis sein. Mindestens 1.000 US-Dollar in Civil-Token, der plattformeigenen Kryptowährung, müssen für das "Herausfordern" eingesetzt werden – gleich viel wie für die Gründung und eines Newsrooms. Stimmt der Großteil für einen Verstoß, muss der Newsroom den eingesetzten Betrag auf den Antragsteller und die Pro-Stimmenden aufteilen und das Medium verliert seine Lizenz. Sehen die meisten User keinen Verstoß gegen die Regeln, bekommen Medium und Contra-Stimmer die Token des Antragstellers.

Um böswilligen Attacken von Token-Millionären vorzubeugen, können sich User und Newsroom auch an eine dritte Instanz wenden, das Civil Council. Dieses ist momentan mit Journalisten besetzt, darunter die Gründerin des Tow Center for Digital Journalism, Emily Bell und die Gründerin des philippinischen Nachrichtenportals "Rappler", Maria Ressa.

Spekulanten sollen draußen bleiben

Das sogenannte Initial Coin Offering (ICO), also der Verkauf der Civil Token, läuft bereits seit einer Woche, bis 15. Oktober will Civil maximal 24 Millionen Token verkaufen. Um zu verhindern, dass durch das ICO Crypto-Spekulanten angezogen werden, müssen Interessierte zuerst einen Fragebogen beantworten und sich dazu bekennen, mit ihren Token primär Qualitätsjournalismus zu unterstützen und nicht zu spekulieren.

Im ersten Quartal 2018 sind laut dem Risikokapitalgeber Start-up 300 weltweit mehr als 869 Millionen Dollar über ICOs an Firmen geflossen. Staaten ist diese Art der unregulierten Finanzierung zunehmend ein Dorn im Auge.

Partnerschaft mit Associated Press

Die Civil Media Company, die hinter dem Projekt steht, hat bereits jetzt eine Million US-Dollar bereitgestellt, um einige Medien und Journalisten noch vor Ende des Tokenverkaufs zu unterstützen. An Bord sind etwa ehemalige Redakteure der "Denver Post" mit ihrem neuen Medium "Colorado Sun", das investigative "Sludge" und "Cannabis Wire".

Auch mit der Nachrichtenagentur Associated Press kooperiert Civil seit August 2018. Civil soll einen Lizenzierungsmechanismus in der Blockchain entwickeln, im Gegenzug stellt die AP ihre Inhalte für Medien im Civil-Netzwerk bereit. Für die Zukunft sind weitere Funktionen geplant. Leser sollen Medien etwa direkt unterstützen können – mit Kryptowährungen und "echtem" Geld. (pp, 2.10.2018)